Assassini
menschlicher erschienen als zur Zeit. Sie ist so unvollkommen, daß man diese arme alte Dame beinahe lieben muß.«
Ich fragte ihn, wie es meinem Vater ginge. Er berichtete mir alles, was er wußte, und kam auch darauf zu sprechen, wie er D’Ambrizzis Manuskript gefunden und es Artie Dunn gegeben hatte.
»Mir ist Dunn in Europa zufällig über den Weg gelaufen«, sagte ich. »Er hat mir von dem Manuskript erzählt.«
»Tatsächlich? Du hast ihn getroffen? Himmel, das ist vielleicht ein Kerl! Als ich das Zeug gefunden hatte, haben Artie und ich uns eine ganze Nacht lang die Köpfe darüber zerbrochen. Du müßtest mal seine Eigentumswohnung sehen, sag’ ich dir. An einem klaren Tag hast du einen Ausblick bis nach Princeton … er sagt, manchmal fliegen Hubschrauber unter dem Fenster seiner Wohnung vorbei.«
»Er hat mir in groben Zügen erzählt, was in D’Ambrizzis Manuskript steht«, sagte ich. »Das alles war ganz schön geheimnisvoll. Ich weiß, daß dieses Testament D’Ambrizzis Lebensversicherung war, aber das sind ziemlich olle Kamellen.« Ich sah keinen Sinn darin, Peaches einen Grund zu geben, sich näher mit der ganzen Geschichte auseinanderzusetzen. Es war besser für ihn, wenn ich ihn völlig heraushielt.
Seine Augen funkelten, und seine Wangen waren gerötet. »All diese Decknamen, überhaupt diese ganze Räuberpistole. Und das Verrückte – lassen wir mal die ganze Geheimnistuerei um das Manuskript außer acht, vergessen wir mal, daß es vierzig Jahre lang versteckt war –, das Verrückte ist, daß dein Vater über das alles Bescheid wußte! Er hat gesagt, es sei ihn nichts angegangen und daß er sich auch nie darum gekümmert habe; aber er wußte, daß D’Ambrizzi die Papiere diesem alten Plappermaul von Priester zur Aufbewahrung gegeben hatte. Und jetzt, vor zehn Tagen, fällt ihm das alles plötzlich wieder ein. Wirklich gespenstisch, wie der Verstand manchmal arbeitet, Ben, wirklich gespenstisch.«
Peaches berichtete mir, was mein Vater ihm über den betrunkenen, geltungssüchtigen, geschwätzigen Priester erzählt hatte, dem D’Ambrizzi sein Manuskript anvertraut und der meinem Vater mit dieser Tatsache hatte imponieren wollen. Ich sah keinen Grund, daran zu zweifeln.
»Er schien fast alles zu wissen«, sagte Peaches und wischte mit der letzten Bratkartoffel die letzte Pfütze Ketchup vom Teller, »was auch ich gewußt habe. Es war richtig unheimlich. Ich hab’ ihm das Manuskript aus New Pru geholt. Er wollte es lesen.«
»Hast du ihm gesagt, daß du es Dunn gezeigt hast?«
Er zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht. Ich glaube, ich wollte ihm nicht auch das noch erklären müssen. Jedenfalls hat er mich überredet, ihn zu eurem Ferienhaus zu fahren. Überredet ist gut -du kennst ja seine Art. Ich kam mir eher wie ein Lakai vor. Er kann ein richtiger Despot sein.«
»Nicht wahr?« sagte ich.
»Ich habe dann fast eine Woche dort oben verbracht und mich den Teufel um meine Gemeinde gekümmert. Es war großartig in den Bergen, das will ich gar nicht abstreiten. Tolle Gegend. Und dann erst das Haus. Ich bin viel gewandert …«
»Was noch?«
»Ich hab’ einen Schneemann gebaut! Bin nach Everett gefahren und hab’ dort eingekauft, um die Speisekammer aufzufüllen. Hab’ mir die Gegend angesehen. Hab’ zwei Romane gelesen. Hab’ gekocht, geangelt und deinen Vater durch die Gegend kutschiert.«
»Und was hat mein Vater getan?«
»Er hat ein paarmal D’Ambrizzis Manuskript gelesen. Hat aber kaum ein Wort darüber verloren. Er hat jede Menge Schallplatten und Skizzenblöcke mitgenommen. Die Platten hat er die ganze Zeit gespielt. Wir haben nicht sehr viel geredet. Er wollte seine Ruhe haben, war aber freundlich zu mir. Es waren schöne Tage. Wir haben über dich gesprochen und was du wohl treibst. Er erholt sich ziemlich gut, Ben. Aber er hat sich große Sorgen um dich gemacht. Er war der Meinung, daß du Ärger hast, weil du in kirchlichen Angelegenheiten herumschnüffelst. Er hat gesagt, du würdest die Kirche gar nicht begreifen. Ich hab’ bloß immer genickt und ihn reden lassen. Er nimmt sich Vals Tod sehr zu Herzen, Ben. Eines Nachts habe ich ihn weinen hören. Ich bin auf sein Zimmer gegangen, habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung ist, und er sagte, er habe von Val geträumt und sei dann aufgewacht, und dann sei ihm klar geworden, daß sie tot ist. Er hat mir leid getan, Ben. Das kann ich dir sagen.«
»Ich fahre morgen zu ihm rauf«, sagte ich. »Nachdem du abgereist
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