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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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warst, hat man ihm eine Krankenschwester geschickt, aber er hat sie rausgeworfen. Ich möchte nicht, daß er da oben allein ist.«
    »Soll ich dich begleiten? Als Beifahrer? Es soll einen schweren Schneesturm geben.«
    »Danke, Peaches, aber ich komme schon klar. Kümmere du dich um deine Schäfchen.«
    »Meine Schäfchen«, sagte er. »Arme Teufel.«
    Als ich am Abend allein im Haus war, konnte ich keinen Schlaf finden. Über Indelicatos Tod wurde im Fernsehen landesweit berichtet, zumeist im Zusammenhang mit Spekulationen, die Calixtus’ Gesundheitszustand betrafen. Immerhin war der Papst seit zwei Monaten nicht mehr an die Öffentlichkeit getreten. Weitere Meldungen über kirchliche Dinge wurden in den Spätnachrichten nicht verbreitet, bis auf den Hinweis, daß Erzbischof Kardinal Klammer in Rom zu bleiben beabsichtige, um an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Indelicato teilzunehmen. Ich saß im Long Room und nippte an einem doppelten Laphroaig on the rocks und lauschte dem Wind, der an den Fensterläden rüttelte.
    Ich versuchte, nicht ständig darüber nachzugrübeln, was seit Vals Ermordung alles geschehen war, aber das war ein sinnloses Unterfangen. Ich konnte an nichts anderes denken: es schien, als wäre ich erst an jenem Tag, als sie gestorben war, zum Leben erwacht. Schließlich leerte ich mein Glas, streifte meinen alten Schaffellmantel über, zog ein Paar Gummistiefel an und ging nach draußen in den klaren Abend.
    Die kalte Luft füllte meine Lungen und sorgte dafür, daß mein Kopf klar wurde. Ich ging zum Obstgarten hinüber, in dem – vielleicht in einer Nacht wie dieser -jemand den toten Father Governeau an einen Ast des Apfelbaums gehängt hatte. Es war so lange her. Ich schlug den gleichen Weg ein, den ich damals mit Sandanato genommen hatte, die Schlittschuh in den Händen. Der zugefrorene Teich schimmerte zwischen den Sträuchern und Büschen im Mondlicht. Einige Schlittschuhläufer glitten lautlos über das Eis; die Kufen blitzten und funkelten wie poliertes Silber.
    Ich wurde unvermeidlich, unwiderstehlich von der Kapelle angezogen. Nicht wegen irgendwelcher Gefühlsregungen: Ich wußte nicht warum, bis ich mich im Innern befand. Die Treppenstufen waren überfroren und spiegelglatt, die Tür der Kapelle unverschlossen.
    Ich schaltete das Licht ein. Was wollte ich hier? Was erwartete ich? Es gab kein Gespenst hier drinnen, keine Stimme aus der Dunkelheit.
    Ich setzte mich auf jene Bank, vor der Val gekniet hatte, als Horstmann ihr die Mündung der Waffe an den Hinterkopf hielt und abdrückte.
    Und dann tat ich etwas, das ich seit fünfundzwanzig Jahren nicht getan hatte.
    Ich kniete nieder, senkte den Kopf und betete für die unsterbliche Seele meiner kleinen Schwester. Und im Dämmerlicht, die Augen geschlossen, flüsterte ich, der ich noch immer Katholik war, beichtete meine Sünden und bat um Vergebung.
    Später am Abend lag ich in meinem alten Bett unter dem Foto Joe DiMaggios und lauschte dem Wind und spürte den eisigen Hauch, der durch die Ritzen drang, und hörte das gewohnte Rascheln und Trippeln kleiner Füße auf dem Dachboden. Hin und wieder fiel ich in einen kurzen, unruhigen Schlaf. Ich sah Val, wie sie das Foto in der Trommel versteckte, so daß nur ich es finden konnte, und dann stand ich oben an der Treppe, die in die Eingangshalle des Hauses führte, und beobachtete, wie Vater hinunterstürzte …
    Dann lag ich wach und wünschte, meine Mutter würde mich wenigstens in dieser einen Nacht verschonen. Ich war nun an einem Punkt angelangt, an dem ich fast schon Angst vor dem Schlaf hatte, vor den Träumen, in denen sie immer auf mich wartete, um mich anzuklagen.
    Als ich mich hin und her wälzte, das Kopfkissen drehte und wendete und versuchte, eine bequeme Lage zu finden, erinnerte ich mich plötzlich daran, wie Val vor langer Zeit in mein Zimmer gekommen war, in dieses Zimmer. Sie war noch ein junges Mädchen gewesen, und sie trug ein rotes Nachthemd aus Flanell, und sie weinte und rieb sich die Augen. Sie war gerade oben im Badezimmer gewesen, und Mutter hatte auf dem Flur gewartet, hatte ihr aufgelauert, könnte man sagen, und war über sie hergefallen. Ich erinnerte mich jetzt wieder an diesen Vorfall, Gott weiß warum, aber da war das Bild, da war die Erinnerung an Val, tränenüberströmt, verängstigt, zitternd, und ich hatte sie gefragt, was denn geschehen sei.
    Sie sagte, Mutter sei gemein zu ihr gewesen.
    Ich fragte sie, was sie damit sagen wolle.
    »Sie hat

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