Assassini
stellt uns vor verdammte Probleme. Er benimmt sich einfach unmöglich, Ben. In den letzten paar Tagen hat sich eine Krankenschwester dort oben um ihn gekümmert, aber sie hat mich gestern unter Tränen angerufen – er hat sie rausgeworfen. Auf die herrischste und unhöflichste Art und Weise. Jetzt weiß nicht einmal ich mehr so recht, was wir tun sollen.«
»Wie ist er denn in die Adirondacks gekommen, Margaret? Und geht es ihm gut genug, um dort allein zu sein?«
»Das soll wohl ein Witz sein. Er glaubt, es geht ihm gut genug, aber er macht sich etwas vor, Ben. Natürlich geht es ihm nicht gut genug. Aber versuchen Sie mal, ihm irgendwelche Ratschläge zu geben. Er war einfach unausstehlich. Ach ja, Ihr junger Freund, Father O’Neale – er hat Ihren Vater zum Ferienhaus gefahren und ist einige Tage bei ihm geblieben, aber er hat ja schließlich auch noch etwas anderes zu tun …« Sie hielt inne, um Atem zu holen.
»Ich denke, ich werde bei dem alten Knaben vorbeischauen, Margaret. Es gefällt mir nicht, daß er dort oben ganz allein ist. Ich fahre gleich morgen los.«
»Gut, aber seien Sie vorsichtig. Es soll in den nächsten Tagen schwere Schneestürme geben. In Chicago liegen fünfzig Zentimeter Neuschnee. Wann sind Sie eigentlich zurückgekommen, Ben? Und was ist auf der anderen Seite vom großen Teich alles passiert?«
»Oje, Margaret, das ist eine viel zu lange Geschichte. Jedenfalls bin ich gestern in New York angekommen.«
»Ist denn alles zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen?«
»Nennen Sie mir einen Menschen, bei dem alles zur Zufriedenheit verläuft. So etwas gibt es überhaupt nicht, oder sehen Sie das anders?«
»Die Nachricht, daß Kardinal Indelicato gestorben ist, hat hier einen ziemlichen Schock ausgelöst. Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Ja«, sagte ich. »Sein Tod kam wirklich sehr überraschend.« Ich sagte ihr, daß ich noch einige Vorbereitungen treffen müsse, und Margaret warnte mich noch einmal vor den angekündigten Schneestürmen. Ich legte den Hörer auf und dachte darüber nach, wie lange es wohl dauern mochte, bis ich mich daran gewöhnt hatte, so viel zu wissen, daß ich es für immer verschweigen mußte, daß ich nie mit jemandem darüber reden durfte. Das wäre ein Thema für ein Gespräch mit Val gewesen!
Schon beim Mittagessen sah ich mich mit diesem Problem konfrontiert.
Ich rief Peaches an, und wir verabredeten uns im Nassau Inn, wo wir uns das letzte Mal an jenem ebenso kalten, verschneiten Abend getroffen hatten, nicht wissend, daß Val tot in der Kapelle lag. Er kam von New Pru herüber und platzte schier vor lauter Fragen, was ›drüben‹ denn alles passiert sei.
Ich sagte, daß es sich um eine unglaublich komplizierte Geschichte handle, machte ihm aber deutlich, daß es sich tatsächlich um eine grundsätzlich kirchliche Angelegenheit drehe, so daß ich aus diesem Grunde nicht über die genauen Hintergründe informiert sei. Und so weiter und so fort. Er bedachte mich mit einem seltsamen Blick und blinzelte, als wollte er mir zu verstehen geben: Ich weiß, wie die Dinge in Rom gelaufen sind.
»Aber sag mir eins«, – er beugte sich vor – »hast du herausgefunden, wer Val ermordet hat?« Da war sie, die tiefe, schmerzhafte Wunde, die weder bei ihm noch bei mir je verheilen würde. Er war der Meinung, daß ich ihm die Antwort auf diese Frage schuldig sei. »War es derselbe Kerl, der dich und diesen Monsignore aus Rom angegriffen hat?«
»Derselbe Mann. Jedenfalls sieht’s nach dem momentanen Stand der Dinge so aus. Ein verrückter alter Priester. Wer weiß, was mit ihm passiert ist. Ich rechne nicht damit, daß wir ihn jemals finden werden oder ihn noch einmal zu Gesicht bekommen. Hör mal, Peaches, das alles hat mich ganz schön mitgenommen. Wir reden ein andermal darüber, ja? Aber im Moment – es ist ein Irrgarten, das alles widert mich an, und ich brauche endlich etwas Ruhe.«
»Ich kann dich gut verstehen, alter Junge.« Er lächelte sein jungenhaftes Lächeln, wie in alten Zeiten, doch sein Gesicht war müde und gezeichnet. Es war drei Uhr nachmittags, und wir aßen schweigend unsere Cheeseburger mit Bratkartoffeln. Draußen heulte der Wind um das Gebäude. Schließlich fragte Peaches:
»Wie ist jetzt eigentlich deine Einstellung gegenüber der guten alten römisch-katholischen Kirche?«
Fast wäre ich bei dieser unerwarteten Frage in Gelächter ausgebrochen. »Es ist seltsam, Peaches. Es ist mir völlig unerklärlich. Aber die Kirche ist mir nie
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