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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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erwacht. Ich hatte auf der Leinwand seine waghalsigen, heldenhaften Spionageeinsätze erlebt, wie er auf der Flucht vor den Nazis über eine behelfsmäßige Landebahn stürmte und wie die Kugeln seiner Verfolger Zentimeter hinter seinen Fersen den Staub aufwirbeln ließen … Ich dachte an den Sommertag zurück, als die kleine Val unter den Strahlen der Rasensprenganlage herumgetollt war, und wie Gary Cooper sie und mich und Dad gezeichnet hatte … märchenhaft. Diese Bilder, die an meinem geistigen Auge vorüberzogen, besaßen einen rosaroten Schimmer. Aber Cooper war schon lange tot, Val war tot, die heroischen OSS-Tage meines Vater waren nur noch Erinnerung … eine Geschichte … ein Film … längst zu Staub zerfallen, wie alles einmal zu Staub zerfällt.
    Das Ferienhaus erhob sich auf einem Bergplateau vor einem steilen Hügel, umgeben von kahlen Bäumen und stacheligen, immergrünen Pflanzen, Tannen und Fichten. Das trübe Licht der Sonne, die sich hinter düsteren Wolken versteckte, schwand zusehends, als ich von der Straße abbog. Der Wagen wühlte sich mühsam den verschneiten Zufahrtsweg hinauf. Die ganze Umgebung lag unter einer tiefen Schneedecke begraben. Zarte, perfekt geformte Flocken wirbelten um den Wagen herum, ließen die ohnehin schon hohe Schneedecke weiter und weiter wachsen. Unser Ferienhaus war ein klobiges Holzgebäude, das den Eindruck vermittelte, aus den gewaltigen Stämmen von Mammutbäumen gezimmert zu sein. Auf dem Giebeldach lag der Schnee gut dreißig Zentimeter hoch. Aus einem der Kaminschornsteine, die aus dieser weißen Wüste ragten, stieg kräuselnd Rauch auf. Eine der Dachschrägen reichte fast bis zum Boden und besaß ein riesiges, nach Norden gerichtetes Panoramafenster, das einen Ausblick gewährte, den mein Vater für seine Landschaftsgemälde nutzte. Hinter den Fenstern des doppelgeschossigen Wohnzimmers brannte Licht, und als ich den Wagen auf den breiten, mit Platten ausgelegten Weg lenkte, der zum Eingang führte, wurde auch schon die Vordertür geöffnet, und mein Vater stand im Türrahmen, ein Schemen im Gegenlicht, das hinter ihm aus dem Flur drang. Er war mager geworden, aber unter seinem dunkelblauen Pullover waren seine Schultern noch immer breit und kräftig. Er winkte mir zu. Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwann zuvor auf diese Weise von meinem Vater begrüßt worden zu sein.
    An diesem Abend war Dads Verhalten mir gegenüber wenn auch nicht überschwenglich herzlich, so doch zumindest nicht aggressiv. Zweifellos hatte seine Krankheit einiges von seiner Griesgrämigkeit und seiner Gefühlskälte schwinden lassen, die er mir gegenüber immer an den Tag gelegt hatte; so keimte die Hoffnung in mir, daß unser Verhältnis möglicherweise in eine neue Phase eintreten konnte. Besser spät als gar nicht.
    Wir bereiteten zusammen das Abendessen. Wir ließen uns jede Menge Zeit, als wir die gegrillten Steaks, die Pellkartoffeln und den Salat verspeisten und dazu einen kräftigen Bordeaux und anschließend einen starken Kaffee tranken. Die Fragen, die ihm auf dem Herzen lagen, waren nur zu verständlich, aber wir übereilten nichts und näherten uns behutsam, langsam den verwickelten Ereignissen, die mit Vals Ermordung ihren Anfang genommen hatten. Ich erklärte ihm in wohlüberlegten Worten Schritt für Schritt, was und wie sich alles entwickelt hatte. Es war das erste Mal, daß ich den Versuch unternahm, die ganze Geschichte zusammenzufügen. So wurde es ein langer Abend, an dem Vaters Interesse und Aufmerksamkeit jedoch nicht für einen Augenblick erlahmten.
    Einige der Namen, die ich nannte, brachten sein Gedächtnis in Schwung, und er erzählte mir einige Anekdoten über Torricelli und Robbie Heywood und Klaus Richter, vor allem aber über D’Ambrizzi und die Kriegsjahre und die Erlebnisse mit der Resistance. Er erzählte mir Geschichten, die ich vorher noch nie von ihm gehört hatte: wie er ins besetzte Frankreich gelangt war, indem er mit dem Fallschirm absprang, zum Beispiel; die Maschine war dabei immer in einem Grenzbereich geflogen: in so geringer Höhe, daß man gerade noch sicher sein konnte, daß der Fallschirmspringer nicht schon durch die Wucht des Aufpralls ums Leben kam. Manchmal war er auch von einem U-Boot abgesetzt worden und dann mit einem Schlauchboot an der französischen Küste gelandet, hatte deutschen Patrouillen ausweichen müssen, hatte unter den haarsträubendsten Umständen Verbindung mit der Resistance aufgenommen, hatte sich an den

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