Assassini
eingesetzt; der Wind rüttelte an den Fenstern. »Lassen Sie uns einfach mal resümieren, was wir an Informationen haben.«
Ich erklärte mich einverstanden und blickte Elizabeth an. Dunns Anwesenheit störte sie, und sie hatte Vorbehalte, ihn in ihr – unser – Vertrauen zu ziehen. Ich bemerkte außerdem, daß sie uns beide – sich und mich –, die wir Val geliebt hatten und von ihr geliebt worden waren, als Einheit betrachtete. Sie wollte nicht, daß Father Dunn mich auf unbekannte, gefährliche Pfade führte. Sie wollte nicht, daß er unsere Einheit zerbrach.
»Na gut«, sagte sie schließlich dennoch. »Wenn ihr meine Hilfe wollt, könnt ihr sie haben.«
Wir gingen hinüber in den Long Room. Ich schob die CD mit dem Cellokonzert von Elgar in die Stereoanlage und drückte auf die Wiederholungstaste. Während die schwermütige Musik das Zimmer erfüllte, setzten wir uns um den großen Tisch: ein Anwalt, eine Journalistin, ein Romanschriftsteller; drei Menschen, die von ihrer Fähigkeit lebten, lückenhafte Informationen zu sammeln, zu ordnen und vielleicht zu einem Bild zusammenzufügen.
Wir begannen mit Vals Reiseroute. Paris. Rom. Alexandria, Ägypten. Los Angeles. New York. Princeton. Sie war mit der Limousine weitergefahren, als Lockhardt an der Kunsteisbahn am Rockefeller Center ausgestiegen war. Aus den Unterlagen ging hervor, daß sie vorgestern nachmittag um Viertel vor vier hier angekommen war.
Sie hatte zwei Telefonate geführt. Eines mit Sam Turner, bei dem sie sich nach Father Governeau erkundigt hatte, und eines mit mir in New York. Zu diesem Zeitpunkt waren Lockhardt und Heffernan bereits von dem todbringenden ›Priester‹ ermordet gewesen. Schwester Elizabeth bestand darauf, das Wort in Anführungszeichen zu setzen.
Irgendwann hatte Val dann das Foto – in Paris während des Krieges aufgenommen, sofern Dunns Vermutung zutraf- in der Trommel versteckt, wahrscheinlich in der Annahme, daß ich das Foto dort suchen und finden würde, wenn ihr etwas zustoßen sollte: Val mußte gemerkt haben, daß sie sogar in Princeton in Gefahr schwebte, und sie verließ sich darauf, daß ich irgend etwas unternehmen würde, sobald ich das Foto gefunden hatte. Es zeigte vier Männer; einer von ihnen war D’Ambrizzi. Der fünfte Mann, der das Bild aufgenommen hatte, gehörte nach Elizabeth’ Vermutung ebenfalls zu der Gruppe. Warum, um alles in der Welt, war dieser Schnappschuß so wichtig? Würde D’Ambrizzi sich daran erinnern können?
Dann ging Val in die Kapelle – vermutlich gegen halb sechs oder sechs Uhr – wo sie mit derselben Waffe ermordet wurde, mit der man auch Lockhardt und Heffernan erschossen hatte. Der Mörder war zweifelsohne ein und derselbe Mann. Dieser hatte in der Kapelle einen Fetzen seines schwarzen Regenmantels zurückgelassen, von dem Dunn behauptete, daß es sich um den Regenmantel eines Priesters handle.
Der Killer war dann ins Haus eingedrungen, hatte Vals Aktenkoffer gefunden und ihn mitgenommen.
Und schließlich hatten wir von Rupe Norwich erfahren, daß der selbstmörderische Priester im Jahre 1936 in Wirklichkeit ermordet worden war und daß es sich hierbei um eine Vertuschungsgeschichte gehandelt hatte, die von einflußreichen Männern betrieben worden war – Männern, die darauf gedrängt hatten, den Mord als Selbstmord hinzustellen. Wovor hatten sie Angst gehabt? Und wer hatte geschützt werden sollen?
Am Ende waren wir keinen Schritt weiter. Father Dunn brachte es auf den Punkt: Die uns bekannten Tatsachen konnten tausend verschiedene Geschichten erzählen.
Das Feuer im Kamin war fast heruntergebrannt, der Polizeibeamte stand draußen wie gewohnt auf Posten, und es gab nichts weiter zu tun, als den Versuch zu unternehmen, ein wenig Schlaf zu finden.
5 DRISKILL
Die Rolle paßt zu ihm. Das war mein erster Gedanke, als ich Monsignore Pietro Sandanato kennenlernte. Ja, die Rolle paßte zu ihm, als wäre durch eine Laune der Physiognomie sein Lebenslauf von vornherein festgelegt gewesen, als wäre ihm eine freie Entscheidung durch die schlichte Tatsache, daß sein Gesicht eben so und nicht anders war, verweigert worden. Er sah wie ein gefolterter Renaissance-Heiliger aus, wie sie auf ungezählte Leinwände gemalt worden waren, die in ungezählten Museen hingen. Empfindsam, sorgenvoll, müde, mit purpurnen Ringen unter den wie Glanzkohle glitzernden Augen mit den schweren, dunklen Lidern. Gleichzeitig erinnerte er mich aber auch an einen Schläger der Mafia, dem ich
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