Assassini
vor langer Zeit begegnet war. Er hatte das Aussehen einer Plastik von Giacometti, hager und ausgezehrt, aber mit einem jungenhaft weichen Gesicht von dunkler Hautfarbe, glattem schwarzem Haar, einer Pockennarbe auf der linken Wange, die wie ein Brandmal den ansonsten vollkommenen Teint verunzierte. Er trug Amtstracht, einen schwarzen Mantel um die Schultern und einen weichen schwarzen Borsalino; die schwarzen Glacehandschuhe streifte er ab, als Father Dunn ihn ins Foyer führte und uns einander vorstellte. Es war Nachmittag, und Dunn hatte ihn am Kennedy Airport abgeholt und ihn den langen Weg bis hierher nach Princeton gefahren.
»Mister Driskill«, sagte Sandanato leise; seine Stimme war heiser, und er schien müde zu sein von der Zeitverschiebung. »Ich möchte Ihnen im Namen des werten Freundes und Verehrers Ihrer Schwester, Kardinal D’Ambrizzi, sowie im Namen Seiner Heiligkeit, Papst Calixtus, unser aller tiefstes Mitgefühl aussprechen. Die Tragödie hat uns mehr als betroffen gemacht. Auch ich, der ich Ihre Schwester sehr gut kannte, möchte Ihnen mein Beileid aussprechen.«
Ich bat beide Herren in den Long Room, und Schwester Elizabeth kam aus Margaret Korders Kommandoposten ins Zimmer. Sandanato drückte ihr die Hand. »Welch eine Tragödie, Schwester«, murmelte er.
Mrs. Garrity servierte Kaffee. Nachdem Sandanato das Angebot, zu Mittag zu essen, abgelehnt hatte, saß ich bei den dreien und hörte ihrem Gespräch zu. Kirchenprofis. Ich schenkte dem, was sie sagten, kaum Aufmerksamkeit. Sandanato würde für einige Tage mein Gast sein, und ich versuchte, mir ein Bild von ihm zu machen. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals einen so verkrampften, nervösen Menschen gesehen zu haben. Das Gesicht, das Auftreten, die gehetzten Blicke aus den unsteten Augen riefen Erinnerungen in mir wach, Erinnerungen an Plastiken und Gemälde, die gefolterte Heilige in Todesqualen zeigten; Erinnerungen an das Gesicht Christi mit der Dornenkrone und dem blutüberströmten Antlitz, das am Ende des dunklen Korridors über der Tür zum Klassenzimmer gehangen hatte, Erinnerungen an die bedrückende Statue Giacomettis. Das Haar des Monsignore schimmerte wie schwarzes Glas. In dem Zeitraum, während ich ihn beobachtete, rauchte er drei Zigaretten. Seine Hand zitterte leicht und vermittelte den Eindruck, jemanden vor sich zu haben, der so verkrampft war, daß jeden Augenblick eine Sprungfeder in seinem Innern zerbrechen und eine Katastrophe auslösen konnte.
Schließlich brachte Mrs. Garrity Sandanatos Taschen hinauf in sein Zimmer, und mein Gast folgte ihr; ein dunkles Gespenst in Gucci-Halbschuhen. Ich erkundigte mich bei Artie Dunn: »Schlafen Sie eigentlich nie?«
»Vier Stunden pro Nacht reichen mir völlig. Der Schlaf der Gerechten. So, und jetzt muß ich mich leider verabschieden. Hairball fordert sein Recht.«
»Wer?« fragte Elizabeth.
»Hairball«, sagte Dunn. »Meine Katze. Sie heißt Hairball. Sie hatte zwei Jahre lang keinen Namen – bis mir dann dieser eingefallen ist. Außerdem hat sie wirklich gewisse Ähnlichkeit mit einem Haarknäuel.« Er lächelte sie an. »Ich muß den kleinen Schlingel jetzt füttern.«
Als er gegangen war, wandte Elizabeth sich zu mir um. »Was für ein seltsamer Mann! Geradezu furchteinflößend. Er teilt sich seinen Tagesablauf offenbar völlig frei ein. Ich gäbe wer weiß was darum zu erfahren, was er eigentlich treibt. Irgend etwas an ihm macht mir angst.«
»Da wir gerade von ›seltsam‹ oder ›furchteinflößend‹ reden«, sagte ich, »erzählen Sie mir etwas über Sandanato. Was für ein Mensch ist er?«
»Ich habe ihn niemals ohne D’Ambrizzi gesehen. Er ist gewissermaßen D’Ambrizzis Geschöpf; D’Ambrizzi hat ihn aus einem Waisenhaus geholt, hat ihn zu dem gemacht, was er ist. Er verläßt sich völlig auf ihn. Sandanato ist seine rechte Hand im Kampf gegen Kardinal Indelicato.«
»Und um was geht es bei diesem Kampf?«
»Um die Zukunft der Kirche, das Wesen der Kirche. Die beiden gehen sich schon seit Beginn ihrer Karriere gegenseitig an die Kehle: fünfzig Jahre Kleinkrieg, Schüsse aus dem Hinterhalt, jedenfalls behauptet man das. Und jetzt … na ja.« Elizabeth zuckte die Achseln und begann, einen Strauß getrockneter Blumen umzustecken, die in einer Kupferkanne auf dem Sideboard standen.
»Was – und jetzt? Ich weiß, ich gehöre nicht zum inneren Kreis der katholischen Kirche. Ich habe meine Mitgliedskarte verloren, aber Sie können mir vertrauen
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