Assassini
Kardinal Klammer, Gott hab’ ihn selig – nein, nein, schauen Sie nicht so besorgt drein, er ist nur hirntot, Schwester – Klammer macht sich meine Ratschläge zunutze. Er braucht alle Ratschläge, die er bekommen kann, weiß Gott. Vielleicht sollte ich mal eine Komödie darüber schreiben.« Er lächelte Elizabeth freundlich an. »Wissen Sie, Schwester, ich bin manchmal ein etwas schwieriger Mensch, doch unsere Kirchenoberen machen das Beste daraus. Ich wohne hier in Princeton und habe eine Eigentumswohnung in New York. Wie gesagt, in gewisser Weise bin ich ein unbequemer Zeitgenosse, aber ich besitze jene Fähigkeit, die die Kirche immer brauchen kann …«
»Und was für eine Fähigkeit ist das?«
»Verschlagenheit? Unter den gegenwärtigen Umständen könnte man sagen, daß ich als Kardinal Klammers Augen und Ohren diene. Haben Sie noch weitere Fragen, Schwester? Dann stellen Sie sie jetzt, und wir haben sie vom Tisch.« Er lächelte immer noch, aber ein wenig verkrampft.
»Ich bin nur neugierig«, sagte sie. »Zwei Leben zu führen, das eines Priesters und das eines Romanschriftstellers, muß anstrengend sein.« Sie ließ nicht etwa locker, weil er Geistlicher war und zudem ein Mann. Sie und Val mußten in der Tat die Geißel aller männlichen römischen Chauvinisten gewesen sein. Die Kirche hatte Frauen mit Einfluß und dem nötigen Prestige, um diesen Einfluß auch geltend zu machen, schon immer nur schwer toleriert. Aber Dunn schien der verbale Schlagabtausch richtig Spaß zu machen.
»Ich tue mein Bestes, das unter einen Hut zu bringen«, sagte er. »Ich studiere die Kirche beinahe wie ein Wissenschaftler ein Insekt auf dem Objektträger seines Mikroskops.«
»Aber einem Wissenschaftler wird nicht vorgeschrieben, auch den Schmutz auf dem Objektträger in Kauf zu nehmen.«
»Ah, ein Punkt für Sie, Schwester. Und dennoch studiere ich die Kirche, Wie sie auf Druck reagiert, zum Beispiel. Nehmen wir nur meine eigene Person. Ich habe beobachtet, wie der kirchliche Mechanismus im allgemeinen und die Individuen im besonderen mit mir verfahren sind. Wegen meiner Bücher. Dann habe ich beobachtet, wie beide mit den Aktivisten verfahren sind, von den Berrigans über Schwester Valentine bis hin zu denjenigen, die sich für die Rechte der Homosexuellen stark machen … Die Kirche ist ein riesiger Organismus. Treten Sie ihn, und er krümmt und windet sich. Fordern Sie ihn heraus, bedrohen Sie ihn, und er wehrt sich mit Zähnen und Klauen. In den letzten paar Tagen ist die Kirche ziemlich kräftig getreten worden.« Er hob die buschigen grauen Augenbrauen und blinzelte. »Artie Dunn. Beobachter und Student der Kirche. Es ist eine Lebensaufgabe.«
»Die Kirche ist also getreten worden, wie Sie es nennen«, sagte ich. »Vermutlich von Val. Sie hat dafür gesorgt, daß dieser Organismus sich krümmt und windet – um Ihr Bild zu benutzen, Father. Oder war es noch mehr? Hat die Kirche sich mit Zähnen und Klauen gegen Val gewehrt?«
Schwester Elizabeth schüttelte den Kopf. »Gott weiß, daß ich keine Apologetin der Kirche bin, das können Sie mir glauben. Aber ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, daß die Kirche Mord sanktioniert. Nicht im zwanzigsten Jahrhundert. Die Kirche hat keinen Killer geschickt, damit er diese entsetzlichen Dinge tut …«
»Was ist die Kirche?« fragte ich. »Menschen. Einige von ihnen haben viel zu verlieren.«
»Aber es gibt so viele andere Möglichkeiten, mit Problemen fertig zu werden …«
»Ach, hören Sie auf, Elizabeth! Die Kirche hat immer schon Menschen getötet«, sagte ich. »Freunde und Feinde. Die bisher vorliegenden Beweismittel lassen den Schluß zu, daß es ein Priester war, der …«
»Es muß nicht unbedingt ein Priester gewesen sein. Das kann Gott weiß wer getan haben«, sagte sie, »ungeachtet der Aussage, die diese Nonne gemacht hat. Wir dürfen nicht so leichtgläubig sein! Es gibt immer jemanden, der versucht, die Kirche anzuschwärzen …«
»Aber«, sagte ich, »wer hätte es sonst auf Vals Leben abgesehen haben können? Wem war sie ein Dorn im Auge, außer der Kirche?«
»Das ist es ja gerade – wir wissen es nicht, Ben! «
»Schauen Sie«, sagte Dunn, »ich habe versucht, die Sache so zu betrachten, als wäre sie die Handlung eines meiner Romane. Wir sollten uns vielleicht die Zeit nehmen, die Geschichte einmal gründlich zu überdenken. Was halten Sie davon?« Die Wanduhr über dem Kühlschrank tickte laut. Draußen hatte wieder Schneeregen
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