Assassino
Klima erfrischender, als wenn alles heiß wäre.«
Sie ließen es sich schmecken und lehnten sich befriedigt zurück, nachdem sie alles weggeputzt hatten. Kati fühlte sich etwas entspannter als zuvor, auch wenn ihr Misstrauen gegenüber Paola nicht völlig gewichen war.
Zunächst berichtete Ilyas, wie es ihm gelungen war, die Tasche wiederzubeschaffen. Er tat das ganz nüchtern, so als sei es die normalste Sache der Welt gewesen, sich mit einem Mann auf einem fahrenden Güterzug einen Kampf auf Leben und Tod zu liefern. Als er mit seiner Erzählung fertig war, bemerkte Paola: »Jetzt wissen wir immer noch nicht, wer die beiden waren und wer sie geschickt hat.« Dabei warf sie einen vielsagenden Blick auf Kati.
Die ließ das nicht auf sich sitzen, auch, weil sie wusste, dass Paola zumindest zum Teil recht hatte. »Wie Ilyas seinen Mann beschrieben hat, hätte wahrscheinlich keiner der beiden etwas gesagt. Das waren ziemlich harte Jungs.«
»Na ja,
so
hart nun auch wieder nicht«, lächelte Paola ungerührt. »Immerhin hat sich der eine von einer Frau unterkriegen lassen.«
»Genau, das wollte ich auch noch fragen. Woher stammen diese erstaunlichen Kampfkünste, über die du verfügst?« Kati hatte zwar nicht gesehen, wie die Studentin den Mann niedergerungen hatte, aber sie konnte sich denken, dass er sich ihr nicht kampflos ergeben hatte. Oder …
»Ich mache seit frühester Kindheit Kung-Fu«, unterbrach Paola ihre Gedanken. »Das zahlt sich irgendwann aus.«
»Ja, natürlich.« Kati nickte. Das klang vollkommen logisch. Und dennoch …
Paola warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich muss los. Es war nett mit euch.« Sie zog eine Visitenkarte hervor und gab sie Kati. »Hier habt ihr meine Telefonnummer. Wenn ihr Lust habt oder ich euch irgendwie helfen kann, dann ruft mich einfach an.«
Sie wollte ein paar Geldscheine auf den Tisch legen, aber Chris hielt sie davon ab. Wenige Minuten später war sie um eine Ecke verschwunden.
»Du bist plötzlich so still geworden«, sagte Chris, während er dem Kellner winkte und mit den Fingern nach der Rechnung signalisierte.
»Ich hatte da so einen Gedanken … « Kati blickte nachdenklich vor sich hin. »Als wir vorhin über Paolas Kampfkünste sprachen, da fiel mir ein, dass wir ja überhaupt nicht gesehen haben, wie sie den Mann überwältigt hat. Zumindest sah man ihr keinen Kampf an. Vielleicht, weil es gar keinen gegeben hat?«
»Du meinst, sie steckt mit den beiden unter einer Decke?« Chris ließ vor Überraschung beinahe den Blechteller mit der Rechnung fallen lassen, den ihm der Kellner reichte.
»Warum nicht?«
»Wie kommst du in aller Welt denn auf eine solche Idee?«
»Nenn es weibliche Intuition.« Kati wusste keinen wirklichen Grund für ihren Verdacht zu nennen, außer den, dass ihr Paola suspekt war.
»Sie hat nichts mit den beiden Männern zu tun«, mischte sich Ilyas ein, bevor die Auseinandersetzung eskalieren konnte.
»Und woher willst
du
das wissen?«, fragte Chris.
»Ich weiß es einfach. Sie steht auf unserer Seite«, bekräftigte er.
»Es wäre schön, wenn man auf eine klare Frage mal eine klare Antwort kriegen könnte«, murrte Chris. »Fakten! Das ist es, was zählt. Und was höre ich dauernd? Vermutungen, Intuition, Behauptungen! Wie soll man auf solchen Grundlagen zu einer Meinung kommen oder eine Entscheidung fällen können?«
Statt einer Antwort legte Ilyas die rechte Hand auf sein Herz. Chris schüttelte energisch den Kopf. »Oh nein, so einfach geht das nicht!«
»Vielleicht doch?« Kati überraschte sich selbst mit dieser Frage. Die Selbstverständlichkeit, mit der Ilyas seinem Gefühl vertraute, beeindruckte sie. Für sie und Chris war ein Problem da, um es rational zu analysieren und mit logischem Denken zu lösen. Aber sie begriff immer mehr, dass nicht alles auf diese Weise entschieden werden konnte.
Chris warf entnervt die Hände in die Luft. »Bitte, Kati! Wir sind Wissenschaftler. Sollten wir nicht zu Argumenten zurückkehren?«
Kati warf einen Blick auf Ilyas, der der Diskussion, wie üblich, mit unbewegtem Gesicht folgte. Woher nahm er nur diese Gefasstheit? Wenn sie plötzlich ohne Erinnerung in eine ihr fremde Welt geworfen würde, dann würde sie alles daransetzen, die Gründe dafür herauszubekommen. Aber er schien sich geduldig in sein Schicksal zu ergeben. Lag es vielleichtdaran, dass er doch mehr wusste, als er ihnen gegenüber zugab? Oder war es einfach sein Naturell, die Dinge zu nehmen, wie
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