Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Wunde in meiner Seite ausging, und legte die Hand darauf.
„Die Wunde war schlimm entzündet, Sir“, erklärte Holden. „Wir mussten ein Stück der verfaulten Haut herausschneiden.“
Ich verzog das Gesicht.
„Wo möchtet Ihr hin, Sir?“, fragte Holden, nachdem wir langsam vom Bett zur Tür gegangen waren. Ich kam mir vor wie ein Invalide, aber im Moment war ich froh, wie ein solcher behandelt zu werden. Ich würde bald wieder zu Kräften kommen. Und dann würde ich …
… wieder ganz der Alte sein? Diese Frage wusste ich nicht zu beantworten.
Ich beantwortete Holdens Frage: „Ich würde gern zum Fenster hinausschauen.“
Er nickte und führte mich hin, sodass ich den Blick über die Außenanlagen des Châteaus schweifen lassen konnte, wo ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht hatte. Als ich dastand, wurde mir etwas bewusst – wann immer ich als Erwachsener an „Zuhause“ gedacht hatte, sah ich mich aus einem Fenster schauen, entweder auf den Garten des Hauses am Queen Anne’s Square oder die Außenanlagen des Châteaus. Beide Orte waren mir ein Zuhause gewesen, und sie waren es noch, und jetzt – jetzt, da ich die ganze Wahrheit über Vater und Reginald wusste – hatten sie eine noch größere Bedeutung erlangt, beinah eine Dualität: zwei Hälften meiner Kindheit, zwei Teile des Mannes, der aus mir geworden war.
„Das genügt, danke, Holden“, sagte ich und ließ mich von ihm zum Bett zurückführen. Ich legte mich hin und fühlte mich auf einmal … ich gebe es höchst widerwillig zu, aber ich fühlte mich „gebrechlich“ nach dem langen Weg zum Fenster und zurück.
Dennoch war meine Genesung fast abgeschlossen, und dieser Gedanke reichte, um ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, während Holden mir einen Becher Wasser und einen neuen feuchten Lappen brachte. Sein Gesicht zeigte einen seltsam grimmigen und nicht deutbaren Ausdruck.
„Es tut gut, Euch wieder auf den Beinen zu sehen, Sir“, sagte er, als er merkte, dass ich ihn ansah.
„Das habe ich Euch zu verdanken, Holden“, erwiderte ich.
„Und Miss Jenny, Sir“, erinnerte er mich.
„Oh ja.“
„Wir haben uns beide eine Zeit lang um Euch gesorgt, Sir. Es stand auf Messers Schneide.“
„Das wäre Ironie des Schicksals gewesen, wenn ich Kriege, Assassinen und mörderische Eunuchen überlebt hätte, nur um dann durch die Hand eines schmächtigen Jungen zu sterben.“ Ich lachte leise.
Holden nickte. „Allerdings, Sir“, pflichtete er mir bei. „Bittere Ironie.“
„Nun, ich hab’s ja überlebt“, sagte ich, „und schon bald, vielleicht in einer Woche, werden wir aufbrechen und nach Amerika zurückkehren, wo ich meine Arbeit fortsetzen will.“
Holden sah mich an und nickte abermals. „Wie Ihr wünscht, Sir. Ist das alles für den Augenblick, Sir?“
„Ja, natürlich. Holden, es tut mir leid, dass ich in den vergangenen Monaten eine solche Last für Euch war.“
„Ich hatte nur einen Wunsch, Sir – dass Ihr wieder gesund werdet“, sagte er und ging.
28. Januar 1758
Das Erste, das ich an diesem Morgen hörte, war ein Schrei. Jennys Schrei. Sie hatte die Küche betreten und Holden vorgefunden: Er hing an einer Wäscheleine.
Ich wusste es, noch ehe sie in mein Zimmer stürmte – ich wusste, was passiert war. Er hatte eine Notiz hinterlassen, die gar nicht nötig gewesen wäre. Er hatte sich infolge dessen, was die koptischen Priester ihm angetan hatten, das Leben genommen. So einfach war das, und es überraschte mich eigentlich nicht.
Vom Tod meines Vaters her wusste ich, dass ein Zustand der Betäubung ein Hinweis auf die kommende Trauer ist. Je gelähmter, benommener und tauber man sich fühlt, desto länger und intensiver ist die Trauerphase.
TEIL VIER
1774, sechzehn Jahre später
12. Januar 1774
I
Während ich diese Zeilen am Abend eines ereignisreichen Tages niederschreibe, beschäftigt mich in Gedanken nur eine Frage: Ist es möglich, dass …
Dass ich einen Sohn habe?
Die Antwort ist: Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit, aber es gibt Hinweise darauf, doch am deutlichsten ist das Gefühl – ein Gefühl, das unentwegt in mir nagt, am Saum meines Rockes zerrt wie ein hartnäckiger Bettler.
Natürlich ist dies nicht die einzige Last, die ich mit mir herumtrage. Es gibt Tage, an denen ich mich förmlich niedergedrückt fühle unter den Erinnerungen, den Zweifeln, dem Bedauern und der Trauer. Tage, an denen ich das Gefühl habe, als würden mir die Geister nie meine Ruhe
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