Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
angefleht und bekniet haben, uns mitzuteilen, was er weiß, schweigt er wie ein Toter.“
Daraufhin trat der Henker vor und stülpte Connor einen Rupfensack über den Kopf.
„Wenn der Mann sich nicht erklären will, wenn er nicht gestehen und sühnen will – was bleibt uns da für eine andere Wahl als diese? Er trachtete, uns in die Arme des Feindes zu schicken. Und so zwingt uns die Gerechtigkeit, ihn von dieser Welt zu schicken. Möge Gott seiner Seele gnädig sein.“
Damit beendete er seine Rede, und ich schaute mich um und versuchte, weitere von Connors Freunden auszumachen. Wenn es eine Rettungsaktion war, dann war jetzt die Zeit zum Handeln da, oder nicht? Aber wo waren sie? Was zum Teufel hatten sie vor?
Ein Bogenschütze. Gewiss setzten sie einen Bogenschützen ein. Ideal war diese Vorgehensweise nicht – ein Pfeil würde den Strick nicht vollständig durchtrennen. Bestenfalls konnte er die Fasern so weit zerschneiden, dass Connors Gewicht den Strick vollends reißen ließ. Allerdings war es die präziseste Methode. Sie ließ sich aus großer Entfernung umsetzen …
Ich fuhr herum, mein Blick wanderte über die Gebäude hinter mir. Und tatsächlich, genau an der Stelle, die ich ebenfalls gewählt hätte, war ein Bogenschütze – er stand in einer hohen Fensteröffnung.
Ich sah, wie er die Sehne spannte und mit zusammengekniffenem Auge über den Pfeil hinweg sein Ziel anvisierte. Dann, genau in dem Moment, da die Falltür nach unten klappte und Connors Körper fiel, schoss er.
Der Pfeil sirrte über uns hinweg, auch wenn ich der Einzige war, der ihn wahrnahm, und da ruckte mein Kopf auch schon herum und ich richtete den Blick auf das Podium, wo das Geschoss den Strick streifte und ansägte, aber natürlich nicht so weit, dass er auf der Stelle gerissen wäre.
Ich riskierte es, gesehen und entdeckt zu werden, aber ich tat es trotzdem, aus einem Impuls heraus, meinem Instinkt gehorchend. Ich zog meinen Dolch unter meinem Gewand hervor und warf ihn, sah ihm nach, wie er durch die Luft wirbelte, und dankte Gott, als er das Seil traf und durchtrennte.
Als Connors zappelnder und – Gott sei Dank – noch lebendiger Leib durch die Falltür fiel, wurde rings um mich her ein Keuchen laut. Einen Moment lang hatte ich nach allen Seiten hin etwa eine Armeslänge Platz, weil die Menge erschrocken vor mir zurückwich. Zugleich sah ich, wie der Mann, der Connor vorher angesprochen hatte, geduckt unter das Galgengerüst und dorthin huschte, wo Connor gelandet war. Dann musste ich mir die Flucht erkämpfen, denn die erschrockene Lähmung der Zuschauer schlug um in ein wütendes Gebrüll, man trat und schlug nach mir, und Wachen drängten sich durch das Gewirr auf mich zu. Ich fuhr die Klinge aus und verletzte einen oder zwei Zuschauer, nur so sehr, dass Blut floss und andere es sich zweimal überlegten, ob sie wirklich auf mich losgehen wollten. So wurde auch wieder Platz um mich her, und ich eilte davon und zu meinem Pferd, während mir die Ohren klangen von den Buhrufen und Pfiffen der Schaulustigen, die sich um ihr Vergnügen gebracht fühlten.
III
„Er hat Thomas erwischt, bevor er Washington erreichten konnte“, sagte Charles später niedergeschlagen, als wir in der düsteren Schankstube des Restless Ghost saßen, um die Geschehnisse des Tages zu besprechen. Er war aufgewühlt und schaute in einem fort über seine Schulter. Er sah aus, wie ich mich fühlte, und fast beneidete ich ihn um die Freiheit, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ich musste meinen inneren Aufruhr für mich behalten. Und was das für ein Aufruhr war – ich hatte meinem Sohn das Leben gerettet, damit aber zugleich die Arbeit meines Ordens sabotiert, eine Operation, die ich selbst verfügt hatte. Ich war ein Verräter. Ich hatte meine Leute hintergangen.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
Connor hatte Thomas erreicht, und bevor er ihn umbrachte, hatte er Antworten verlangt. Warum hatte William versucht, das Land seines Volkes zu kaufen? Warum versuchten wir, Washington zu töten?
Ich nickte. Trank einen Schluck Ale. „Was hat Thomas gesagt?“
„Er sagte, dass Connor das, was er suchte, nie finden werde.“
Charles sah mich aus ebenso großen wie müden Augen an.
„Was nun, Haytham? Was nun?“
7. Januar 1778
(Fast zwei Jahre später)
I
Charles hatte Washington von Anfang an gegrollt, und dass unser Attentatsversuch fehlgeschlagen war, verstärkte seinen Unmut noch. Er betrachtete es als persönlichen Affront,
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