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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
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vibrierte, als sie zu schreien versuchte.
    Ich hielt ihren zappelnden Körper fest und sagte nichts, wartete nur, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie mich sehen konnte. Sie musste mich in der Kapelle erkannt haben. Wie hätte sie mich nicht erkennen können, nachdem sie zehn Jahre für mich gesorgt hatte und wie eine Mutter zu mir gewesen war? Wie hätte sie Master Haytham nicht wiedererkennen können?
    Als sie wieder still lag, flüsterte ich, die Hand noch immer auf ihrem Mund: „Hallo Betty. Ich muss Euch etwas fragen. Um zu antworten, müsst Ihr sprechen. Damit Ihr sprechen könnt, muss ich meine Hand von Eurem Mund nehmen, und Ihr könntet versucht sein zu schreien, aber wenn Ihr schreit …“ Ich drückte die Spitze meines Schwerts etwas fester gegen ihre Kehle, um mich verständlich zu machen. Dann nahm ich, ganz vorsichtig, meine Hand von ihrem Mund.
    Ihre Augen waren hart wie Granit. Einen Moment lang fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt und beinah eingeschüchtert von dem Feuer und dem Zorn in ihren Augen, als löse ihr Anblick eine Erinnerung an eine Schelte aus, auf die ich automatisch reagierte.
    „Dafür sollte ich Euch übers Knie legen, Master Haytham“, zischte sie. „Wie könnt Ihr es wagen, Euch in das Zimmer einer Dame zu schleichen, während sie schläft? Habe ich Euch denn gar nichts beigebracht? Hat Edith Euch nichts beigebracht? Oder Eure Mutter?“ Ihre Stimme wurde lauter. „Hat Euer Vater Euch nichts beigebracht?“
    Dieses Kindheitsgefühl wollte nicht von mir weichen, und ich musste tief in mich gehen, um mich davon zu befreien und den Drang niederzuringen, mein Schwert kurzerhand wegzulegen und zu sagen: „Es tut mir leid, Betty, ich tu’s nicht wieder, ich versprech’s, und ich werd’ von jetzt an ein braver Junge sein.“
    Der Gedanke an meinen Vater gab mir die Kraft zu diesem Akt der Befreiung.
    „Es stimmt, Ihr wart einmal wie eine Mutter zu mir, Betty“, sagte ich. „Es stimmt, was ich hier tue, ist furchtbar und unverzeihlich. Glaubt mir, es ist mir nicht leicht gefallen, herzukommen. Aber was Ihr getan habt, ist ebenfalls furchtbar und unverzeihlich.“
    Ihre Augen wurden schmal. „Was meint Ihr damit?“
    Mit der freien Hand griff ich unter meinen Gehrock und holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier hervor, das ich so hielt, dass sie es im Halbdunkel des Zimmers sehen konnte. „Erinnert Ihr Euch an Laura, die Küchenmagd?“
    Sie nickte zaghaft.
    „Sie schickte mir einen Brief“, fuhr ich fort. „Einen Brief, in dem sie mir alles über Eure Beziehung zu Digweed erzählte. Wie lange war Vaters Kammerdiener Euer Liebhaber, Betty?“
    Es gab keinen solchen Brief. Auf dem Blatt Papier in meiner Hand stand nichts Enthüllenderes als die Adresse meiner Unterkunft für die Nacht, und ich baute darauf, dass sie das im trüben Licht im Raum nicht sehen konnte. In Wahrheit war mir bei der Lektüre meiner alten Tagebücher jener Moment vor vielen, vielen Jahren wieder eingefallen, als ich mich auf die Suche nach Betty gemacht hatte. Sie hatte „verschlafen“ an jenem kalten Morgen, und als ich durch das Schlüsselloch geguckt hatte, war mein Blick auf ein Paar Männerstiefel in ihrem Zimmer gefallen. Das war mir seinerzeit nicht bewusst gewesen, ich war noch zu jung. Ich hatte sie mit den Augen eines Neunjährigen gesehen und mir nichts dabei gedacht. Damals nicht. Und seither nicht.
    Nicht, bis ich den Eintrag von Neuem gelesen und es begriffen hatte wie einen Witz, der auf einmal einen Sinn ergab: Die Stiefel hatten ihrem Liebhaber gehört. Natürlich. Weniger sicher war ich mir, dass Digweed dieser Liebhaber war. Ich erinnere mich, dass sie mit großer Zuneigung von ihm sprach, aber das tat jeder. Er hatte uns alle getäuscht. Doch als ich unter Reginalds Obhut nach Europa aufbrach, hatte Digweed für Betty eine andere Anstellung gefunden.
    Trotzdem war es nur eine Vermutung, dass sie ein Liebespaar gewesen waren – eine wohlüberlegte und -begründete Vermutung zwar, aber doch gewagt, und wenn ich mich irrte, konnte sie schreckliche Konsequenzen nach sich ziehen.
    „Erinnert Ihr Euch an den Tag, an dem Ihr verschlafen hattet, Betty?“, fragte ich. „Wisst Ihr das noch?“
    Sie nickte argwöhnisch.
    „Ich hatte nach Euch gesucht“, fuhr ich fort. „Ich fror an jenem Morgen. Und auf dem Flur vor Eurem Zimmer … nun, ich gebe es nicht gern zu, aber ich ging in die Knie und schaute durch Euer Schlüsselloch.“
    Ich

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