Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
ist alles, was noch übrig ist von meiner Verbindung zu den Templern.“
Eine unangenehme Stille senkte sich über sie. Altaïr brach sie schließlich, indem er fragte: „Habt Ihr Philosophie studiert, Maria?“
Sie sah ihn unsicher an. „Ich habe hier und da etwas gelesen, mehr nicht.“
„Der Philosoph Empedokles behauptete, dass alles Leben auf Erden ganz simpel begonnen hätte, in rudimentärer Form … Hände ohne Arme, Köpfe ohne Körper, Augen ohne Gesichter. Er glaubte, dass sich all diese Formen im Laufe der Zeit ganz langsam und auf die verschiedensten Arten und Weisen miteinander vermengten und die Vielfalt des Lebens erschufen, die wir heute vor uns sehen. Findet Ihr das interessant?“
Sie verkniff sich mit Mühe ein Gähnen. „Wisst Ihr, wie absurd das klingt?“
„Ja, ich weiß. Aber ich tröste mich mit dem Rat des Philosophen Al Kindi, der sagte, man solle sich vor keiner Idee fürchten, ganz gleich, welcher Quelle sie entstamme. Und man dürfe sich nie vor der Wahrheit fürchten, selbst wenn sie schmerze.“
„Ich erkenne keinen Sinn in Eurem Geschwafel.“ Sie lachte leise. Es klang schläfrig und warm.
Vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt. Vielleicht war sie noch nicht bereit zu lernen. Doch in diesem Moment schlug eine Glocke, das Zeichen, dass sie in Kyrenia angelegt hatten. Sie standen auf.
Altaïr versuchte es noch einmal. „Nur ein Geist, der frei ist von allen Beschränkungen, kann die chaotische Schönheit der Welt erfassen. Das ist unser größter Besitz.“
„Aber ist das Chaos denn etwas Begrüßenswertes? Ist Unordnung eine Tugend?“, entgegnete sie, und ihre Frage weckte etwas in ihm. Vielleicht war sie ja doch empfänglich für höheres Wissen.
„Es stellt uns vor Herausforderungen, ja“, antwortete er, „aber die Freiheit gewährt uns größeren Lohn als die Alternative. Die Ordnung und der Frieden, nach denen die Templer trachten, verlangen Unterwürfigkeit und Gefangenschaft.“
„Hm“, machte sie. „Dieses Gefühl kenne ich … “
Er empfand eine gewisse Nähe zu ihr, als sie die Stiege erreichten, die zum Deck hinaufführte, und erkannte, dass es sich dabei um genau das Gefühl handelte, dem er nachgejagt war, seit sie sich das erste Mal begegnet waren. Und nun war er dieses Gefühls habhaft geworden, und es gefiel ihm. Er wollte es nicht mehr loslassen. Trotzdem musste er auf der Hut sein. Hatte sie ihm nicht schon angedroht, dass sie ihn umbringen würde? Das Band ihrer Treue zu den Templern mochte zerrissen sein, aber das hieß nicht, dass sie plötzlich auf dem Pfad der Assassinen wandelte. Soweit er es beurteilen konnte, wandelte Maria nur auf Marias Pfaden.
Und genau das sollte sich als wahr erweisen.
Am Fuß der Leiter hielt sie ihm lächelnd die Hände hin, und er musterte sie misstrauisch. Aber mit den gefesselten Händen konnte sie nun einmal nicht nach oben steigen, und abgesehen davon mochten sie zwar mit Piraten unterwegs sein, um deren Moral es nicht zum Besten stand, aber es würde wohl selbst diese Kerle überraschen, wenn ein Mönch seinen Gefährten gefesselt bei sich führte. Die beiden, die im Frachtraum geschlafen hatten, rappelten sich gerade auf, gähnten, kratzten sich im Schritt und warfen ihnen einen Blick zu. Verstohlen ließ Altaïr seine Klinge hervorschnellen und schnitt das Seil zwischen Marias Handgelenken durch. Sie schenkte ihm einen dankbaren Blick, dann machte sie sich daran, die Leiter zu erklettern.
Da hörte er etwas. Ein Murmeln. Es war mehr der Ton, der ihn alarmierte, als das, was gesprochen wurde. Unauffällig lauschte er. Und wie er es sich gedacht hatte, unterhielten sich die beiden Piraten über sie.
„Ich wusste, dass er es war“, krächzte der eine. „Ich hab’s dir doch gesagt.“
Altaïr konnte ihre Blicke im Rücken spüren.
„Ich wette, die Templer würden eine hübsche Belohnung für die beiden zahlen.“
Der Assassine fluchte im Stillen. Wenn er sich nicht irrte, würde er seine Klinge gleich wieder brauchen …
Er hörte, wie Krummsäbel gezogen wurden.
… jetzt .
Altaïr fuhr zu den beiden Männern herum, während seine Gefährtin beschloss, dem Pfad Marias zu folgen, und einen Versuch unternahm, die Freiheit zu erlangen. Sie trat mit einem Fuß aus und traf Altaïr so hart, dass er gegen die Wandung des Frachtraums taumelte. Sein Gesicht schien vor Schmerz zu explodieren.
Aber auch in ihm brandete Schmerz auf. Eine andere Art von Schmerz.
Dann war sie fort und
Weitere Kostenlose Bücher