Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
Leibwächter oder Diener für ihn arbeiteten oder in den Straßen von Kyrenia seine Lehre verkündeten. Er stand außerdem mit den Templern im Bunde, und seine Ergebenheit gegenüber deren Anführer Bouchart war fast ebenso innig wie sein religiöser Glaube. Die Burg Kantara war seine persönliche Zitadelle, die ihm angeblich die Templer überlassen hatten. Bekannt war er dafür, dass er den größten Teil seiner Zeit betend in der Burgkapelle zubrachte.
Dort hoffte Altaïr ihn anzutreffen.
Auf seinem Weg durch die Festung sah er Fanatiker und Wachen. Die Fanatiker wirkten … nun, genauso, wie er sich Fanatiker vorgestellt hatte – nervös, großäugig und eifrig. Die christlichen Wachen, die in Zweiergruppen auf Patrouille waren, machten aus ihrer Verachtung für die Fanatiker keinen Hehl und hielten es unübersehbar für unter ihrer Würde, in der Burg stationiert zu sein. Altaïr drückte sich in eine Nische, als zwei vorüberkamen und einer sich beim anderen beklagte: „Warum tolerieren die Templer diesen Wahnsinnigen? Der Bulle und seine fanatischen Anhänger sind gefährlicher als die Bewohner von Zypern.“
„Die Templer haben schon ihre Gründe“, antwortete der andere. „Für sie ist es einfacher, durch einen Bevollmächtigten zu regieren, verstehst du?“
„Na ja, mag sein. Aber wie lange kann das gut gehen? Der Bulle und die Templer sind in Glaubensfragen nicht gerade einer Meinung.“
„Ach, je weniger man dazu sagt, desto besser ist man dran.“
Altaïr ließ sie passieren, dann ging er weiter. Im Korridor wurde es dunkler. Maria hatte gesagt, die Burg werde gut verteidigt, und das war sicherlich der Fall, wenn man eine Armee auf die Beine stellte und die Mauern der Festung erstürmen wollte. Für einen einzelnen Assassinen war es jedoch leichter, heimlich in die Burg einzudringen. Zumal, wenn man der Meister der Assassinen war. Wenn man Altaïr war.
Jetzt fand er sich in einem riesigen Bankettsaal wieder. Auf der anderen Seite standen zwei Wachen. Er zückte zwei Wurfmesser und schleuderte sie – eins, zwei. Binnen eines Augenblicks lagen die beiden Männer zuckend auf dem steinernen Boden. Altaïr stieg über sie hinweg. Er wusste jetzt, dass er sein Ziel fast erreicht haben musste, dass Moloch nicht mehr weit entfernt sein konnte.
Aber er war nicht da. Altaïr landete scheinbar in einer Sackgasse. Er drehte sich um, blickte nach hinten. Warum hatte man hier Wachen postiert? Da sah er die Falltür. Er bückte sich zu ihr hinunter, lauschte, dann lächelte er. Er ging davon aus, dass er den Bullen gefunden hatte.
Ganz behutsam hob er die Klappe hoch und ließ sich auf die Balken darunter hinab. Er befand sich inmitten der Dachsparren der Burgkapelle, in einem leeren Raum, der von einer großen Kohlenpfanne im Altar erhellt wurde.
Moloch kniete vor dem Feuer und schürte es.
Marias Beschreibung des Mannes erwies sich als zutreffend. Er war ein Bär von einem Mann, kahlköpfig, mit langem Schnauzbart. Sein Oberkörper war nackt bis auf ein Medaillon, das er um den Hals trug. Seine Arme erinnerten in der Tat an Baumstämme, genau wie Maria es gesagt hatte. Schweiß glitzerte im Widerschein des Feuers auf seiner Haut. Der Sprechgesang, den er intonierte, konnte ebenso gut ein Knurren sein wie eine fromme Ehrbezeugung. Er war völlig in sein Tun vertieft, rührte sich nicht vom Feuer weg, badete sein Gesicht in der Hitze der Flammen, blind und taub für alles andere um ihn her, selbst – oder insbesondere – für den Assassinen.
Gut. Moloch machte einen kräftigen Eindruck. Er mochte durchaus stärker sein als Altaïr, der keine Lust hatte, sich in einem Kampf mit ihm zu messen. Der Bulle war ihm nicht nur an körperlicher Kraft überlegen, es hieß auch, dass er eine Waffe einsetzte, die dem sogenannten Meteorhammer ähnelte, eine Kette, an der ein tödliches Gewicht befestigt war. Und es hieß außerdem, dass er diese Waffe unbarmherzig und mit mörderischer Präzision zu führen verstand.
Nein, Altaïr wollte nicht gegen ihn kämpfen. Diesen Gegner musste er heimlich und hinterrücks ausschalten – schnell, sauber und leise.
Geräuschlos schlich er über die Balken, dann ließ er sich hinab und landete ohne einen Laut hinter dem Bullen mitten im Raum. Er befand sich etwas weiter von Moloch entfernt, als ihm lieb war. Er spannte sich und hielt die Luft an. Wenn Moloch ihn gehört hatte …
Aber der Kraftprotz beschäftigte sich weiterhin nur mit der Kohlenpfanne.
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