Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
unterrichten. Sprich mit ihm. Du wirst feststellen, dass er dir eine große Hilfe sein kann.“
Er öffnete die Hand, und der Vogel verschwand durchs Fenster, als sei er hinausgeweht worden.
„Wenn Ihr das für das Beste haltet“, sagte Altaïr.
„Das tue ich. Außerdem kannst du deine Mission nicht ohne sein Einverständnis beginnen.“
Altaïr wurde ärgerlich. „Was soll dieser Unsinn? Ich brauche seine Erlaubnis nicht. Das ist Zeitverschwendung.“
„Das ist der Preis, den du für die Fehler bezahlst, die du begangen hast“, fuhr ihn der Meister an. „Du bist nicht nur mir verantwortlich, sondern ab sofort der gesamten Bruderschaft.“
„So sei es“, gab Altaïr nach, schwieg aber lange genug, um seinen Unmut deutlich zu machen.
„Dann geh“, sagte Al Mualim. „Beweise mir, dass du für uns noch nicht verloren bist.“
Er zögerte kurz, dann fasste er unter seinen Schreibtisch und holte etwas hervor, dass er Altaïr hinschob.
„Nimm“, forderte er ihn auf.
Erfreut griff Altaïr nach seiner Klinge, schnallte die Halterung um sein Handgelenk und schob den Ring, der als Auslöser diente, über seinen kleinen Finger. Er prüfte den Mechanismus und fühlte sich wieder wie ein Assassine.
9
Vorbei an Palmen, Ställen und Händlern, die ihre Waren vor den Mauern der Stadt feilboten, erreichte Altaïr das große, imposante Tor von Damaskus. Er kannte die Stadt gut, es war die heiligste in Syrien, und dort waren voriges Jahr zwei seiner Zielpersonen zu Hause gewesen. Sein Blick wanderte an der Mauer empor und zu den Zinnen. Er konnte die Lebendigkeit der Stadt dahinter hören. Es war, als vibrierte das Mauerwerk darunter.
Zuerst einmal musste er hineinkommen. Der Erfolg seiner Mission hing davon ab, sich unerkannt durch die weit verzweigten Straßen zu bewegen. Sich mit den Wachen anzulegen, wäre nicht der beste Auftakt. Er stieg aus dem Sattel, nahm sein Pferd am Zügel und beobachtete das Tor, das von Sarazenen bewacht wurde. Er musste sich einen anderen Weg suchen, doch das war leichter gesagt als getan, denn Damaskus war bekannt für seine Sicherheit und die Mauern – er blickte noch einmal hinauf und kam sich noch kleiner vor als gerade eben – waren zu hoch und zu steil, um sie von außen zu erklimmen.
Dann sah er eine Gruppe von Gelehrten und lächelte. Salah Al’din hatte Gelehrte ermuntert, Damaskus aufzusuchen, um dort ihren Studien nachzugehen. Diese Gäste genossen besondere Privilegien und durften unbehelligt umherstreifen. Altaïr trat zu der Gruppe und schloss sich ihr an, gab sich so andächtig wie möglich, trieb förmlich an den Wachen vorbei, ließ die Wüste hinter sich und gelangte in die große Stadt.
Dort hielt er den Kopf gesenkt und bewegte sich schnell, aber vorsichtig durch die Straßen, erreichte ein Minarett, sah sich rasch um und sprang dann zu einem Sims hinauf, zog sich hoch, suchte sich weitere Möglichkeiten, um sich mit den Händen an der heißen Mauer festzuhalten, und kletterte immer höher. Es war ein gutes Gefühl, auch wenn er sich nicht so schnell und sicher bewegte wie früher. Aber er spürte doch, wie seine alten Fähigkeiten zurückkehrten. Nein, sie kehrten nicht zurück – sie erwachten wieder. Und mit ihnen das alte Hochgefühl.
Dann erreichte er die Spitze des Minaretts, wo er in der Hocke verharrte. Wie ein Raubvogel hoch über der Stadt, der den Blick schweifen ließ über die von Kuppeln gekrönten Moscheen und die spitzen Minarette, die aus dem unebenen Häusermeer ragten. Er sah Marktplätze, Höfe und Heiligtümer sowie den Turm, der den Standort des Assassinenbüros markierte.
Abermals durchströmte ihn ein Hochgefühl. Er hatte vergessen, wie schön die Städte aus solcher Höhe betrachtet waren. Er hatte vergessen, was es für ein Gefühl war, von ihren höchsten Stellen auf sie hinabzuschauen. Wie befreit er sich in solchen Augenblicken fühlte.
Al Mualim hatte recht gehabt. Seit Jahren hatte man Altaïrs Zielpersonen für ihn aufgespürt. Man sagte Altaïr, wo er hingehen solle und wann, und seine Aufgabe war es dann gewesen, sie zu töten, nicht mehr, nicht weniger. Es war ihm nicht bewusst gewesen, aber er hatte jenes Prickeln vermisst, das einherging mit dem Gefühl und Wissen, wirklich ein Assassine zu sein, und dabei ging es nicht um Blutvergießen und Tod. Was es hieß, ein Assassine zu sein, das fand und spürte man nur in sich.
Er kroch ein wenig nach vorn und blickte hinunter in die engen Gassen von Damaskus.
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