Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
auf Altaïr zusprang, der sich unter Abbas’ Klinge wegduckte und dessen Vorwärtsbewegung mit der Schulter stoppte, sodass sie sich nun im Dreck und in blutiger Kleidung am Boden wälzten. Einen Moment lang rangen sie miteinander, dann verspürte Altaïr einen sengenden Schmerz an der Hüfte – Abbas grub ihm den Daumen in die Wunde und nutzte die Gelegenheit, sich zu drehen. Er setzte sich schwer auf Altaïr und nagelte ihn am Boden fest. Unter seinem Gürtel zog er einen Dolch hervor, den er Altaïr an die Kehle hielt, während er ihn mit wildem Blick fixierte. Immer noch rannen ihm Tränen übers Gesicht. Er atmete schwer und mit zusammengebissenen Zähnen.
„Abbas!“, erklang da ein scharfer Ruf, jedoch nicht von Labib oder einem der anderen, die sich um den Schauplatz des Kampfes geschart hatten. Der Ruf erscholl aus dem Fenster von Al Mualims Turm. „Leg sofort den Dolch weg“, brüllte der Meister. Seine Stimme rollte wie Donner durch den Hof.
Abbas klang dagegen winzig und verzweifelt. „Nicht, bevor er es zugibt.“
„Was soll ich denn zugeben?“, schnaufte Altaïr. Er wand sich, aber Abbas hielt ihn eisern fest.
Labib war über den Zaun gestiegen. „Gib mir den Dolch, Abbas“, sagte er im Nähertreten, die flache Hand ausgestreckt. „Tu, was der Meister befohlen hat.“
„Kommt noch einen Schritt näher, und ich schneide ihm den Hals durch“, knurrte Abbas.
Der Lehrer blieb stehen. „Dafür steckt er dich in eine Zelle, Abbas. So benimmt sich kein Ordensbruder. Es sind Bewohner aus dem Dorf hier. Sie werden diesen Zwischenfall verbreiten.“
„Das ist mir egal“, schluchzte Abbas. „Er soll es sagen. Er soll sagen, dass es eine Lüge ist … “
„Von welcher Lüge sprichst du?“
„Er hat gesagt, mein Vater hätte Selbstmord begangen. Er sei in Altaïrs Kammer gekommen, um sich bei ihm zu entschuldigen, und dann hätte er sich die Kehle durchgeschnitten. Aber er hat gelogen . Mein Vater hat sich nicht umgebracht. Er hat die Bruderschaft verlassen. Das war seine Entschuldigung. Und jetzt sag mir, dass du gelogen hast.“ Er drückte die Dolchspitze noch fester gegen Altaïrs Kehle. Blut trat hervor.
„Abbas, Schluss damit!“, brüllte Al Mualim vom Turm herunter.
„Altaïr, hast du gelogen?“, fragte Labib.
Stille senkte sich über den Hof. Alle warteten auf Altaïrs Antwort. Er sah zu Abbas auf.
„Ja“, sagte er schließlich. „Ich habe gelogen.“
Abbas ließ sich auf die Fersen zurücksinken und drückte die Augenlider fest aufeinander. Der Schmerz, der ihn durchlief, schien seinen ganzen Körper zu martern. Er ließ den Dolch fallen, der klirrend auf dem Boden landete, und fing an zu schluchzen. Er schluchzte immer noch, als Labib ihn grob am Arm packte, auf die Füße zog und ihn zwei Wachen übergab, die herbeigeeilt kamen. Im nächsten Augenblick wurde auch Altaïr ergriffen und ebenfalls zu den Zellen geschleppt.
Nachdem sie einen Monat im Kerker verbracht hatten, beschloss Al Mualim, dass sie ihre Ausbildung fortsetzen sollten. Abbas’ Vergehen wurde als das schlimmere von beiden bewertet – er war es gewesen, der seinen Gefühlen freien Lauf gelassen und den Orden damit in Verruf gebracht hatte. Seine Strafe bestand darin, dass sein Training um ein zusätzliches Jahr verlängert wurde. Er würde noch mit Labib auf dem Übungsplatz sein, wenn Altaïr schon zum Assassinen ernannt sein würde. Diese Ungerechtigkeit verstärkte seinen Hass auf Altaïr noch, für den Abbas immer mehr zu einem mitleiderregenden, verbitterten Tropf verkam. Als die Zitadelle angegriffen wurde, war es Altaïr, der Al Mualim das Leben rettete und dafür zum Meister-Assassinen befördert wurde. An jenem Tag spuckte Abbas vor Altaïr aus, aber er grinste ihn nur spöttisch an. Abbas, befand er, war so schwach und unnütz, wie es schon sein Vater gewesen war.
Zurückblickend mochte das der Augenblick gewesen sein, indem der Hochmut ihn erstmals infiziert hatte.
29
Als Altaïr diesmal das Büro in Jerusalem betrat, war er ein anderer Mensch. Zwar beging er nicht den Fehler anzunehmen, dass sein Weg zu Ende sei – nein, diesem Irrtum wäre nur der alte Altaïr aufgesessen. Er hingegen wusste nun, dass dies erst der Anfang war. Und das schien auch Malik zu spüren. Der Rafiq machte ebenfalls einen veränderten Eindruck, als Altaïr eintrat. Es herrschte endlich frischer Respekt und ein neuer Ton zwischen ihnen.
„Schutz und Friede seien mit dir, Altaïr“, sagte
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