Assassin's Creed: Die Bruderschaft (German Edition)
mehr.
„Wir sind so weit“, sagte eine Stimme neben Ezio. Er drehte sich um und sah Claudia. Ringsum im Raum befreite sich ein Dutzend Mädchen aus dem Gewirr nackter Glieder und erhob sich. Unter ihnen war auch, nun wieder angezogen, das Mädchen, an dem sich der Bankier auf so widerliche Weise vergangen hatte; sie wirkte mitgenommen, hielt sich aber tapfer auf den Beinen. Die Diener, die ihr geholfen hatten, standen neben ihr. Weitere Rekruten.
„Verschwinde von hier“, sagte Claudia zu ihrem Bruder. „Wir holen das Geld. Plus Zinsen.“
„Könnt ihr denn …?“
„Vertrau mir, Ezio … nur dieses eine Mal.“
34
Obgleich ihn Zweifel plagten, weil er seiner Schwester die Verantwortung überlassen hatte, musste Ezio sich eingestehen, dass er sie schließlich darum gebeten hatte, diese Aufgabe für ihn zu erledigen. Es hing viel davon ab, aber er tat besser, was sie sagte, und verließ sich auf sie.
Es war kalt an diesem frühen Morgen, und er streifte seine Kapuze über, als er an den dösenden Wachen vorbeischlich, die vor dem Palazzo des Bankiers postiert waren. Die Fackeln waren heruntergebrannt, und das Haus, nun auch im Innern nicht mehr so hell erleuchtet, wirkte alt, grau und verwohnt. Er dachte daran, Rodrigo zu suchen, den er seit seinem wütenden Abgang vom Podium nach Cesares Ansprache nicht mehr gesehen hatte; Cesare selbst war offensichtlich nicht auf dem Fest geblieben. Aber Ezio verwarf den Gedanken. Er konnte den Vatikan nicht im Alleingang stürmen, und außerdem war er müde.
Ezio kehrte auf die Tiberinsel zurück, wo er sich eilends wusch und frisch machte. Er musste so schnell wie möglich in Erfahrung bringen, wie Claudia sich geschlagen hatte. Erst dann würde er sich wirklich entspannen können.
Die Sonne tauchte über dem Horizont auf und verwandelte die Dächer von Rom in Gold, als sie in Richtung der Rosa in Fiore über sie hinwegzog. Von seinem Aussichtspunkt auf einem der Dächer sah Ezio eine Anzahl von Borgia-Patrouillen in heller Aufregung durch die Stadt hetzen, aber das Bordell war gut versteckt, und die Örtlichkeit wurde von den Kunden als Geheimnis gewahrt. Es wäre ihnen gewiss nicht wohl ergangen, hätte Cesare Wind davon bekommen. Daher überraschte es Ezio nicht, im Umkreis des Hauses keine Borgia-Uniformen auszumachen. Nicht weit entfernt sprang er von einem Dach, landete sicher auf der Straße und spazierte ohne Eile in Richtung des Bordells.
Als er näher kam, erstarrte er allerdings. Vor dem Haus gab es Anzeichen eines Kampfes, und das Pflaster war mit Blut befleckt. Er zog sein Schwert und trat mit pochendem Herzen durch die Tür, die er halb offen stehend vorfand.
Drinnen herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Möbel im Empfangssalon waren umgestürzt, zerbrochene Vasen lagen auf dem Boden, und die Bilder an den Wänden – geschmackvolle Illustrationen der pikanteren Episoden aus Boccaccios Werk – hingen schief. Aber das war nicht alles. Im Eingang lagen die Leichen von drei Borgia-Gardisten, und überall klebte Blut. Als Ezio weiterging, kam eine der Kurtisanen – genau jenes Mädchen, das unter den Händen des Bankiers gelitten hatte – herbei und begrüßte ihn. Ihr Kleid und ihre Hände waren blutverschmiert, aber ihre Augen strahlten.
„Oh, Ezio, Gott sei Dank, dass Ihr da seid!“
„Was ist passiert?“ Seine Gedanken eilten zu seiner Mutter und seiner Schwester.
„Die Borgia-Gardisten müssen uns vom Palazzo des Bankiers aus bis hierher gefolgt sein …“
„Was ist passiert ?“
„Sie haben versucht, uns im Haus festzusetzen – uns eine Falle zu stellen.“
„Wo sind Claudia und Maria?“
Jetzt weinte das Mädchen. „Kommt mit!“
Sie ging in Richtung des Innenhofs voraus. Ezio folgte ihr, immer noch zutiefst bestürzt, doch ihm fiel auf, dass das Mädchen nicht bewaffnet war, und trotz ihrer Aufregung führte sie ihn ohne Angst durch das Haus. Was für ein Massaker hatte hier stattgefunden? Hatten die Gardisten alle außer ihr getötet? Wie war sie ihnen entkommen? Und hatten sie das Geld mitgenommen?
Das Mädchen drückte die Tür zum Hof auf. Dort erwartete ihn ein widerwärtiger Anblick – wenn auch nicht der, den er befürchtet hatte.
Überall lagen tote Borgia-Gardisten, und diejenigen, die noch lebten, waren schwer verletzt oder im Begriff zu sterben. In ihrer Mitte, neben dem Brunnen, stand Claudia. Ihr Kleid war blutgetränkt. In der einen Hand hielt sie einen Rondeldolch, in der anderen ein Stilett. Um
Weitere Kostenlose Bücher