Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
sich bereits den Spitznamen Botticelli erworben hatte) – waren große, geschäftige Örtlichkeiten, wo Assistenten und Lehrlinge eifrig Farben mahlten und Färbestoffe mischten; andere waren bescheidener. Vor einer dieser Türen blieb Maria stehen und klopfte an. Die Tür wurde umgehend geöffnet, und vor ihnen stand ein gut aussehender, wohlgekleideter junger Mann, der fast geckenhaft, aber doch auch sehr athletisch wirkte und einen dunkelbraunen Haarschopf nebst üppigem Bart trug. Er mochte sechs oder sieben Jahre älter als Ezio sein.
„Madonna Auditore! Willkommen! Ich habe Euch erwartet.“
„Leonardo, buon’ giorno .“ Die beiden tauschten formelle Küsse. Dieser Künstler scheint sich mit meiner Mutter ja gut zu verstehen, dachte Ezio, aber das Auftreten und Aussehen dieses Mannes gefielen ihm bereits. „Das ist mein Sohn Ezio“, fuhr Maria fort.
Der Künstler verneigte sich. „Leonardo da Vinci“, stellte er sich vor. „Molto onorato, signore.“
„Maestro.“
„Ein ‚Maestro‘ bin ich nicht – noch nicht“, lächelte Leonardo. „Aber was rede ich denn da? Kommt herein, kommt herein! Wartet hier, ich will sehen, ob mein Assistent Euch einen Wein kredenzen kann, während ich Eure Gemälde hole.“
Das Atelier war nicht groß, aber das Durcheinander darin ließ es noch kleiner erscheinen, als es wirklich war. Auf den Tischen türmten sich Skelette von Vögeln und kleinen Säugetieren, Gläser waren mit farblosen Flüssigkeiten gefüllt, in denen irgendwelche organischen Objekte schwammen, die Ezio nicht identifizieren konnte. Auf einer breiten Werkbank im rückwärtigen Teil des Raumes lagen ein paar merkwürdige Gebilde, die mit größter Sorgfalt und Mühe aus Holz gefertigt worden waren, und auf zwei Staffeleien standen noch unvollendete Bilder, deren Farbtöne dunkler als üblich und deren Konturen weniger deutlich definiert waren. Ezio und Maria machten es sich bequem; aus einem der hinteren Räume kam ein gut aussehender Jüngling mit einem Tablett. Er servierte ihnen Wein und Kekse, lächelte scheu und zog sich zurück.
„Leonardo ist sehr begabt.“
„Wenn du das sagst, madre . Ich verstehe nicht viel von Kunst.“ Ezio ging davon aus, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, obwohl tief in ihm eine rebellische, abenteuerlustige Ader pulsierte, die sich, das war ihm klar, mit dem Charakter eines florentinischen Bankiers nicht vertragen würde. Jedenfalls hielt er sich, genau wie sein älterer Bruder, für einen Mann der Tat, nicht für einen Künstler oder einen Weinkenner.
„Wer sich selbst auszudrücken weiß, versteht das Leben besser und genießt es mehr.“ Seine Mutter sah ihn an. „Du solltest dir ein solches Betätigungsfeld suchen, mein Lieber.“
Ezio war pikiert. „Ich habe jede Menge ‚Betätigungsfelder‘.“
„Ich meinte abgesehen von den signorine “, entgegnete seine Mutter prosaisch.
„Mutter!“ Aber Marias Reaktion beschränkte sich auf ein Schulterzucken und ein Lippenschürzen. „Es wäre gut, wenn du eine Freundschaft mit einem Mann wie Leonardo pflegen würdest. Ich glaube, dass er eine vielversprechende Zukunft vor sich hat.“
„Wenn ich mich hier so umschaue, bin ich nicht geneigt, dir beizupflichten.“
„Sei nicht so frech!“
Sie wurden durch Leonardos Rückkehr aus einem der anderen Räume unterbrochen. Der Künstler brachte zwei Kisten mit. Eine davon setzte er auf dem Boden ab. „Würde es Euch etwas ausmachen, diese Kiste zu tragen?“, fragte er Ezio. „Ich würde ja Agniolo darum bitten, aber er muss hierbleiben und auf den Laden acht geben. Und ich glaube auch nicht, dass er für diese Art von Arbeit kräftig genug ist, der arme Junge.“
Ezio bückte sich, um die Kiste aufzuheben, und staunte, wie schwer sie war. Beinah hätte er sie fallen lassen.
„Vorsicht!“, warnte Leonardo. „Die Gemälde darin sind sehr empfindlich, und Eure Mutter hat mir gerade gutes Geld dafür gezahlt!“
„Können wir gehen?“, sagte Maria. „Ich kann es kaum erwarten, sie aufzuhängen. Ich habe schon Stellen ausgesucht, die Ihr hoffentlich gutheißen werdet“, fügte sie an Leonardo gewandt hinzu. Ezio fand das etwas merkwürdig – verdiente ein Künstler, der noch am Anfang stand, wirklich schon solche Hochachtung?
Unterwegs plauderte Leonardo freundlich, und Ezio musste feststellen, dass auch er dem Charme dieses Mannes durchaus erlag. Und doch hatte er etwas an sich, das Ezio unwillkürlich beunruhigend fand,
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