Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
seiner gewahr und starrte ihn an, angst- und hoffnungsvoll in einem.
„Ihr seid es“, sagte er, die Stimme über das Brüllen des Feuers erhebend; doch tatsächlich sprachen die beiden nur mittels ihrer Gedanken miteinander. „Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Bruder, bitte erweist mir die Gnade, die ich Euch versagte. Ich überließ Euch nur der Gnade der Wölfe und Hunde.“
Ezio hob den Arm. „Alles Gute, padre “, sagte er und drückte ab. In dem Pandämonium rings um die Scheiterhaufen bemerkte niemand seine Bewegung noch das Krachen des Schusses. Savonarolas Kopf fiel nach vorn. „Nun geht in Frieden, auf dass Euer Gott Euch richten möge“, sagte Ezio leise. „Requiescat in pace.“ Er sah zu den beiden Adjutanten des Mönches hin, Domenico und Silvestro, aber sie waren schon tot. Aus ihren geplatzten Bäuchen ergoss sich ihr Gedärm zischend ins Feuer. Der Gestank verbrannten Fleisches stieg allen in die Nase. Die Menge beruhigte sich allmählich. Bald war kaum noch etwas anderes zu hören als das Knacken und Knistern der Flammen, die ihr Werk zu Ende brachten.
Ezio trat von den Scheiterhaufen zurück. Aus nächster Nähe sah er auf Machiavelli, Paola und La Volpe. Machiavellis Blick begegnete dem seinen; er machte eine auffordernde Geste. Ezio wusste, was er zu tun hatte. Abseits der Scheiterhaufen stieg er auf das Podium, und alle Blicke richteten sich auf ihn.
„Bürger von Florenz!“, rief er mit lauter Stimme. „Vor zweiundzwanzig Jahren stand ich, wo ich jetzt stehe, und wurde Zeuge, wie meine Liebsten starben, verraten von Menschen, die ich für Freunde hielt. Rache vernebelte mir den Verstand. Dass sie mich nicht auffraß, verdanke ich der Weisheit einer Handvoll Fremder, die mir beibrachten, über meine Instinkte hinauszuschauen. Sie predigten mir keine Antworten, aber sie lehrten mich, von mir selbst zu lernen.“ Ezio sah, dass nun auch sein Onkel Mario zu den Assassinen getreten war und zu ihm herauflächelte und mit erhobener Hand grüßte. „Meine Freunde“, fuhr Ezio fort, „wir brauchen niemanden, der uns sagt, was wir zu tun haben. Weder Savonarola noch die Pazzi, nicht einmal die Medici. Es steht uns frei, unseren eigenen Pfaden zu folgen.“ Er schwieg einen Moment lang. „Es gibt Menschen, die uns diese Freiheit nehmen wollen, und zu viele von euch, zu viele von uns, geben sie nur allzu leichtfertig hin. Aber es liegt in unserer Macht, zu wählen, zu entscheiden, was wir für wahr erachten, und die Ausübung dieser Macht ist es, was uns zu Menschen macht. Es gibt kein Buch und keinen Lehrer, die uns Antworten liefern, uns einen Weg zeigen. Wählt euren eigenen Weg! Folgt weder mir noch sonst jemandem!“
Mit einem innerlichen Lächeln stellte er fest, wie beunruhigt einige Mitglieder der Signoria dreinschauten. Vielleicht würde sich die Menschheit ja nie ändern; aber es konnte nicht schaden, sie anzustoßen. Er sprang vom Podium, zog die Kapuze über den Kopf und verließ den Platz, ging die Straße hinunter zur Nordmauer der Signoria, wie er es schon zwei unvergessliche Male getan hatte, und entschwand jedermanns Blicken.
* * *
Und damit begann für Ezio der letzte lange, schwere Weg seines Lebens vor der endgültigen Konfrontation, die, wie er wusste, unausweichlich war. Mit Machiavelli an seiner Seite sorgte er dafür, dass die Assassinen die italienische Halbinsel von Florenz bis Venedig durchkämmten und mit Kopien von Girolamos Karte ausgestattet nach den noch fehlenden Seiten des Großen Kodex suchten. Sie durchstöberten die Provinzen Piemont, Trient, Ligurien, Umbrien, Venetien, Friaul, Lombardei, Emilia-Romagna, die Marken, Toskana, Lazio, die Abruzzen, Molise, Apulien, Kampanien, Basilicata und das gefährliche Kalabrien. Auf Capri hielten sie sich vielleicht zu lange auf. Sie reisten über das Tyrrhenische Meer nach Sardinien, ins Land der Entführer, und auf die tückische, von Banditen bevölkerte Insel Sizilien. Sie machten Königen und Herzögen ihre Aufwartung, und sie kämpften gegen die Templer, die ihren Weg kreuzten. Doch am Ende triumphierten sie.
In Monteriggioni fanden sie sich wieder zusammen. Es hatte fünf lange Jahre gedauert, und Alexander VI., Rodrigo Borgia, war immer noch Papst in Rom, alt zwar, aber unverändert stark. Die Macht der Templer stellte, obschon sie geringer geworden war, noch immer eine ernste Gefahr dar.
Es gab noch viel zu tun.
28
Eines Morgens Anfang August im Jahr 1503 wurde Ezio – jetzt ein Mann
Weitere Kostenlose Bücher