Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
mir fehlt nichts. Sie waren nur etwas grob zu mir, weil sie glaubten, ich könne ihnen verraten, wo du bist. Aber Mutter … Oh, Ezio, sie haben Vater und Federico und Petruccio in den Palazzo Vecchio gebracht!“
„Eure Mutter steht unter Schock“, sagte Annetta. „Als sie sich ihnen widersetzte, haben sie …“ Sie brach ab. „Bastardi!“
Ezios Gedanken rasten. „Hier ist es nicht sicher. Könnt Ihr sie irgendwo verstecken, Annetta?“
„Ja, ja … bei meiner Schwester. Dort sind sie in Sicherheit.“ Annetta brachte die Worte kaum hervor, Angst und Pein erstickten ihre Stimme.
„Wir müssen schnell sein. Die Garde kommt gewiss zurück, um mich zu holen. Claudia, Mutter – wir dürfen keine Zeit verlieren. Nehmt nichts mit, geht einfach nur mit Annetta. Los! Claudia, du musst Mama stützen.“
Er geleitete sie aus ihrem verwüsteten Zuhause und half ihnen, selbst noch völlig schockiert, beim Aufbruch, bevor er sie den tüchtigen Händen der treuen Annetta überließ, die ihre Fassung allmählich wiederfand. Ezios Gedanken überschlugen sich, er versuchte Zusammenhänge herzustellen. Die schreckliche Wende der Ereignisse hatte seine Welt erschüttert. Verzweifelt bemühte er sich, alles, was geschehen war, zu ordnen und zu überlegen, was nun zu tun war, was er tun musste, um seinen Vater und seine Brüder zu retten … Eines war ihm sogleich klar: Er musste eine Möglichkeit finden, seinen Vater zu sehen. Er musste in Erfahrung bringen, weshalb dieser Angriff, dieses Verbrechen an seiner Familie, erfolgt war. Aber der Palazzo Vecchio! Sie mussten seine Verwandten in die zwei kleinen Zellen im Turm gesteckt haben, daran zweifelte er nicht. Vielleicht gab es ja eine Chance … Aber der Palazzo war befestigt wie ein Bergfried, und gerade heute Nacht würde es dort von Wachen wimmeln.
Ezio zwang sich zur Ruhe und dazu, klar zu denken, während er durch die Straßen zur Piazza della Signoria schlich, immer dicht an den Mauern entlang. Dann sah er nach oben. Hinter den Zinnen und auf dem Turm brannten Fackeln, die das gewaltige rote Lilienwappen der Stadt und die große Uhr am Fuß des Turmes beleuchteten. Er ließ den Blick höher wandern, kniff die Augen zusammen, um deutlicher zu sehen, dann meinte er, hinter dem kleinen vergitterten Fenster nahe der Spitze das schwache Licht einer Kerze auszumachen. Vor dem großen Doppeltor des Palazzos waren Wachen postiert, weitere patrouillierten auf der Wehrmauer. Auf dem Turm selbst entdeckte Ezio allerdings keine.
Er ging um den Platz herum, entfernte sich vom Palazzo und bog in eine schmale Straße ein, die von der Piazza abging und an der Nordseite des Palazzos entlang verlief. Zum Glück war noch eine beträchtliche Anzahl von Menschen unterwegs, die spazieren gingen und die Abendluft genossen. Ezio kam es auf einmal vor, als lebe er in einer anderen Welt als diese Leute, als sei er abgeschnitten von der Gesellschaft, in der er vor drei oder vier Stunden noch geschwommen war wie ein Fisch. Der Gedanke, dass das Leben für all diese Menschen in seiner gewohnten Routine weitergehen könnte, während die Existenz zertrümmert worden war, machte ihn wütend. Abermals spürte er, wie in seinem Herz eine fast überwältigende Woge aus Zorn und Angst aufstieg. Aber dann fixierte er sein Denken wieder auf die Aufgabe, die vor ihm lag, und ein stählerner Ausdruck ging über sein Gesicht.
Die Wand, die vor ihm aufragte, war senkrecht und schwindelerregend hoch, aber sie lag im Dunkeln, und das würde ihm zum Vorteil gereichen. Dazu kam, dass die Steine, aus denen der Palazzo erbaut worden war, grob behauen waren; das hieß, seine Hände und Füße würden beim Aufstieg reichlich Halt finden. Problematisch würde es werden, wenn auf dem nördlichen Wehrgang Wachen postiert waren, aber damit würde er sich befassen, wenn es so weit war. Er hoffte, dass man die meisten entlang der nach Westen weisenden Hauptfassade zusammengezogen hatte.
Er holte tief Luft und sah sich um. Außer ihm hielt sich niemand in dieser dunklen Straße auf. Dann sprang er, klammerte sich fest an die Mauer, stützte sich durch die weichen Lederstiefel hindurch mit den Zehen ab und begann nach oben zu klettern.
Als er die Zinnen erreicht hatte, ging er in die Hocke. Die Sehnen seiner Waden schmerzten vor Spannung. Hier befanden sich zwei Wachen, aber sie kehrten ihm den Rücken zu und blickten auf den erhellten Platz hinunter. Ezio rührte sich nicht, bis er sicher sein konnte, dass er die
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