Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
übel anstellt, aber Ihr habt mehr zu lernen, als Ihr glaubt. Ich möchte, dass Ihr Euch eine Gruppe aussucht und Euch unter sie mischt. Ihr dürft mir nicht besonders ins Auge fallen, ja? Vergesst nicht, was Euch bei der Hinrichtung beinah passiert ist.“
Diese harten Worte trafen Ezio schmerzhaft, aber die Aufgabe erschien ihm nicht allzu schwierig – bei seinem Talent zur Umsicht! Dennoch fiel es ihm unter ihrem gnadenlosen Blick schwerer, als er erwartet hatte. Mal rempelte er jemanden ungeschickt an, dann stolperte er und veranlasste die Mädchen oder die Diener aus der Gruppe, ihm auszuweichen, sodass er plötzlich allein dastand. Der Garten war ein wundervoller Ort, von der Sonne beschienen und blühend, in den Zierbäumen zwitscherten Vögel, doch vor Ezios geistigem Auge wurde er zu einem Labyrinth aus unfreundlichen Stadtstraßen, in denen jeder Passant ein potenzieller Feind war. Und immerfort ärgerte ihn Paolas unablässige Kritik. „Vorsicht!“, sagte sie. „So könnt Ihr doch nicht herumstapfen!“ Oder: „Erweist meinen Mädchen etwas Respekt! Passt auf, wo Ihr hintretet, wenn Ihr in ihrer Nähe seid!“ Und: „Wie wollt Ihr Euch unter Leute mischen, wenn Ihr sie andauernd umrennt?“ Schließlich: „Ach, Ezio! Ich hatte mehr von Euch erwartet!“
Aber letzten Endes, am dritten Tag, nahmen die bissigen Kommentare ab, und am Morgen des vierten gelang es ihm, direkt an Paolas Nase vorbeizuspazieren, ohne dass sie auch nur mit einer Wimper zuckte. Mehr noch, nach einer Viertelstunde, in der sie kein Wort sagte, rief Paola sogar: „Na schön, Ezio, ich gebe auf! Wo steckt Ihr?“
Zufrieden mit sich, tauchte er aus einer Gruppe von Mädchen auf, ganz das Ebenbild eines jungen Hausdieners. Paola lächelte und klatschte in die Hände, und die anderen fielen in den Applaus mit ein.
Aber die Arbeit war damit noch nicht getan.
„Nachdem Ihr nun gelernt habt, wie man eins mit einer Menge wird“, erklärte Paola am nächsten Morgen, „werde ich Euch zeigen, wie Ihr dieses neu erworbene Talent einsetzen könnt – und zwar zum Stehlen.“
Ezio sträubte sich, aber Paola gab nicht nach. „Das ist eine wichtige Fähigkeit, um zu überleben, und Ihr werdet sie auf Eurem Weg vielleicht brauchen. Ein Mensch ist nichts ohne Geld, und Ihr werdet möglicherweise nicht immer in der Lage sein, es ehrlich zu verdienen. Ich weiß, Ihr würdet nie jemanden bestehlen, der es sich nicht leisten kann, dieses Geld auch anderweitig zu verlieren. Und auch einem Freund würdet Ihr gewiss nichts abnehmen. Betrachtet diese Fähigkeit als Klinge eines Springmessers – Ihr mögt sie zwar selten benutzen, aber es ist doch gut zu wissen, dass man sie hat.“
Die Kunst des Taschendiebstahls zu erlernen, erwies sich als sehr viel schwieriger. Zwar gelang es ihm durchaus, sich an ein Mädchen heranzupirschen, aber sobald seine Hand sich um das Täschchen an ihrem Gürtel schloss, schrie sie „Al ladro!“ und floh vor ihm. Als er es zum ersten Mal schaffte, ein paar Münzen daraus zu stehlen, blieb er kurz stehen, genoss seinen Triumph – und schon spürte er eine schwere Hand auf der Schulter. „Ti arresto!“, sagte der Diener, der die Rolle eines Stadtwächters übernommen hatte, und grinste – im Gegensatz zu Paola. „Wenn du jemanden bestohlen hast, Ezio“, sagte sie, „dann darfst du nicht dort herumtrödeln.“
Doch er lernte zusehends schneller und begriff allmählich, warum der Erwerb der Fähigkeiten, die sie ihm beibrachte, wichtig war, um seine Mission erfolgreich zu erfüllen. Nachdem er zehn Mädchen um ihr Geld gebracht hatte – die letzten fünf sogar, ohne dass Paola es mitbekam –, erklärte sie die Ausbildung für abgeschlossen.
„Zurück an die Arbeit, Mädchen“, sagte sie. „Die Zeit zum Spielen ist vorbei.“
„Müssen wir wirklich?“, murrten die Mädchen widerstrebend, als sie sich von Ezio verabschiedeten. „Er ist so süß, so unschuldig …“ Aber Paola blieb unnachgiebig.
Sie spazierte mit ihm allein durch den Garten. Wie stets hielt er seinen Beutel mit einer Hand fest. „Nachdem Ihr nun gelernt habt, Euch Eurem Feind zu nähern“, sagte sie, „müssen wir eine Waffe finden, die zu Euch passt – etwas Raffinierteres als ein Schwert.“
„Nun gut, aber was schwebt Euch da vor?“
„Aber Ihr kennt die Antwort doch schon!“ Und damit holte sie die zerbrochene Klinge und den Armschutz hervor, zwei der Gegenstände, die Ezio der Truhe seines Vaters entnommen und die er
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