Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
eben noch sicher in seiner Tasche verstaut geglaubt hatte. Erschrocken öffnete er den Beutel und kramte darin herum. Ohne fündig zu werden.
„Paola! Wie zum Teufel …?“
Paola lachte. „Wie ich an die Sachen herangekommen bin? Indem ich dieselben Fähigkeiten einsetzte, die ich Euch beibrachte. Aber ich habe noch eine kleine Lektion für Euch. Jetzt wisst Ihr zwar, wie man erfolgreich klaut, aber nun müsst Ihr lernen, Euch vor Leuten zu hüten, die sich ebenfalls darauf verstehen!“
Ezio blickte finster auf die zerbrochene Klinge, die sie ihm zusammen mit dem Armschutz zurückgab. „Es gehört eine Art mechanische Vorrichtung dazu. Aber nichts von all den Sachen ist wirklich funktionstüchtig“, sagte er.
„Ja“, erwiderte sie, „das mag sein. Aber ich glaube, Ihr kennt Messer Leonardo bereits, oder?“
„Da Vinci? Ja, ich habe ihn kennengelernt, kurz bevor …“ Er brach ab, zwang sich, nicht über der schmerzhaften Erinnerung zu brüten. „Aber wie sollte mir denn ein Maler in dieser Angelegenheit eine Hilfe sein?“
„Er ist weit mehr als nur ein Maler. Gebt ihm die Einzelteile. Ihr werdet schon sehen.“
Ezio war einverstanden, nickte und sagte: „Darf ich Euch noch eine letzte Frage stellen, bevor ich gehe?“
„Natürlich.“
„Warum habt Ihr mir so bereitwillig geholfen – mir, einem Fremden?“
Paola schenkte ihm ein trauriges Lächeln. Anstatt zu antworten, schob sie einen Ärmel hoch. Zum Vorschein kam ein blasser, zarter Unterarm – dessen Schönheit von langen, dunklen Narben, die kreuz und quer darüber verliefen, entstellt war. Ezio verstand. Irgendwann in ihrem Leben war diese Frau gefoltert worden.
„Auch ich wurde verraten“, sagte Paola.
Und Ezio erkannte augenblicklich, dass sie verwandte Seelen waren.
5
Es war nicht weit von Paolas Freudenhaus zu den geschäftigen Nebenstraßen, wo sich Leonardos Werkstatt befand, aber Ezio musste die weitläufige und von Menschen wimmelnde Piazza del Duomo überqueren, und hier kam ihm seine frisch erworbene Fähigkeit, in einer Menge unterzutauchen, sehr zupass. Seit der Hinrichtung waren gut zehn Tage vergangen, und Alberti glaubte vermutlich, Ezio habe Florenz längst verlassen; aber er ging kein Risiko ein, und angesichts der großen Zahl von Wachen, die auf und rund um den Platz postiert waren, schien Alberti es ebenso zu halten. Sicher waren auch Agenten in Zivil unterwegs. Ezio hielt den Kopf gesenkt, insbesondere als er zwischen der Kathedrale und der Taufkirche hindurchging, wo das meiste Treiben herrschte. Er passierte Giottos Campanile, der die Stadt seit fast hundertfünfzig Jahren dominierte, sowie Brunelleschis mächtige rote Domkuppel, ohne beides wirklich zu sehen; allerdings nahm er Gruppen von französischen und spanischen Besuchern wahr, die staunend und voller Bewunderung nach oben blickten, und er spürte im Herzen ein bisschen Stolz auf seine Stadt. Aber war das wirklich noch seine Stadt?
Alle düsteren Gedanken unterdrückend, ging er rasch von der südlichen Seite der Piazza zu Leonardos Werkstatt. Der Meister sei zu Hause, sagte man ihm, und zwar hinten im Garten. Das Durcheinander im Atelier schien noch schlimmer zu sein, dennoch kam es Ezio vor, als stecke Methode hinter diesem Chaos. Seit seinem ersten Besuch war die Zahl der Artefakte größer geworden, und von der Decke hing eine seltsame Konstruktion aus Holz, die an ein übergroßes Fledermausskelett erinnerte. Auf eine der Staffeleien war ein großes Blatt Pergamentpapier gespannt, das ein gewaltiges und ungeheuer wirres Knotenmuster zeigte, und in einer Ecke davon war ein unleserliches Gekrakel in Leonardos Handschrift zu sehen. Agniolo hatte Verstärkung durch einen zweiten Assistenten bekommen, Innocento, und die beiden versuchten, irgendwie Ordnung im Atelier zu schaffen und den Überblick zu behalten, indem sie all die verschiedenen Dinge katalogisierten.
„Er ist im Garten“, sagte Agniolo zu Ezio. „Geht nur durch. Es wird ihm recht sein.“
Ezio fand Leonardo in eine merkwürdige Beschäftigung vertieft vor. Überall in Florenz konnte man Singvögel kaufen, die in Käfigen gehalten wurden. Die Leute hängten sie in den Fenstern auf, um sich daran zu erfreuen, und wenn die Tiere starben, wurden sie kurzerhand ersetzt. Leonardo war umgeben von einem Dutzend solcher Käfige, und während Ezio ihn beobachtete, wählte der Meister einen dieser Käfige aus, öffnete die kleine Tür aus geflochtenem Weidenholz, hielt den Käfig in
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