Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
Agniolo und Innocento. Hier stand das Modell eines Karrens, der allerdings rund war und von Waffen starrte, abgedeckt mit einem gepanzerten Dach in der Form eines Topfdeckels, in dessen Mitte ein Loch klaffte, durch das ein Mensch den Kopf stecken konnte, um zu kontrollieren, in welche Richtung sich die Maschine bewegte; dort hing die Zeichnung eines Bootes in der Form eines Haifischs, aus dessen Rücken ein merkwürdiger Turm aufragte – noch seltsamer war allerdings, dass es auf der Zeichnung aussah, als bewege sich das Boot unter Wasser fort; Karten, anatomische Skizzen, die alles Mögliche zeigten – die Funktionsweise des Auges, den Koitus, den Embryo in der Gebärmutter und viele, viele andere Dinge, die zu entschlüsseln Ezios Vorstellungskraft nicht reichte –, bedeckten jede Handbreit der Wände, und die Proben und das ganze Durcheinander auf den Tischen erinnerten Ezio an das organisierte Chaos, das er schon bei seinem letzten Besuch hier vorgefunden hatte, nur hatte es sich jetzt verhundertfacht; es gab präzise ausgearbeitete Bilder von Tieren, bekannten ebenso wie widernatürlichen, und Entwürfe für alles, angefangen bei Wasserpumpen bis hin zu Schutzmauern.
Doch was Ezio vor allem ins Auge fiel, hing tief von der Decke herunter. Davon hatte er zuvor schon eine andere, kleinere Version gesehen, wie er sich erinnerte; aber hier schien es sich nun um ein 1:2-Modell von etwas zu handeln, das eines Tages vielleicht eine richtige Maschine sein würde. Es sah immer noch aus wie das Skelett einer Fledermaus, und über die Rahmen zweier hölzerner Auswüchse spannte sich straff eine strapazierfähige Tierhaut. Nicht weit davon entfernt stand eine Staffelei, an der einige Blätter Papier befestigt waren. Unter den Notizen und Berechnungen las Ezio:
… Feder aus Horn oder Stahl auf in Schilf gehülltem Weidenholz befestigt.
Der Schwung hält die Vögel auch dann auf ihrem Flugkurs, wenn die Flügel keine Luft niederdrücken, sondern sich im Gegenteil sogar aufwärts bewegen.
Wenn ein zweihundert Pfund schwerer Mensch sich an Punkt n befindet und den Flügel mithilfe seines Klotzes, der hundertfünfzig Pfund wiegt, anhebt, was einen Kraftaufwand von dreihundert Pfund ergäbe, dann bräuchte er zwei Flügel, um sich selbst …
Für Ezio waren das alles böhmische Dörfer, aber zumindest konnte er die Schrift entziffern – Agniolo musste die Worte aus Leonardos unleserlichem Gekrakel übersetzt haben. In diesem Moment sah er, wie Agniolo ihn musterte, und er richtete seine Aufmerksamkeit schnell auf etwas anderes. Er wusste schließlich, wie gern Leonardo geheimtat.
Jetzt kam Leonardo selbst aus der Richtung des alten Ateliers herbei, eilte zu Ezio und umarmte ihn herzlich. „Mein lieber Ezio! Ihr seid zurück! Ich freue mich ja so, Euch zu sehen. Nach allem, was geschehen ist, dachten wir …“ Aber er ließ den Satz unvollendet und sah seinen Besucher nur sorgenvoll an.
Ezio versuchte, ihn wieder aufzumuntern. „Schau sich das hier einer an! Ich verstehe freilich nichts von all dem, aber ich nehme an, Ihr wisst, was Ihr tut! Habt Ihr die Malerei aufgegeben?“
„Nein“, antwortete Leonardo. „Ich gehe nur … ein paar anderen Dingen nach, die mir … eingefallen sind.“
„Verstehe. Und Ihr habt Euch vergrößert. Die Geschäfte laufen demnach gut. Ihr habt Euch in den vergangenen zwei Jahren fein herausgemacht.“
Aber Leonardo erkannte sowohl die verstohlene Traurigkeit als auch den Ernst, die sich beide in Ezios Miene geschlichen hatten. „Mag sein“, sagte Leonardo. „Jedenfalls lässt man mich in Ruhe. Wahrscheinlich glauben sie, dass ich demjenigen, der die Herrschaft irgendwann einmal ganz gewinnt, von Nutzen sein kann … Allerdings glaube ich nicht, dass das jemals geschehen wird.“ Er wechselte das Thema. „Aber wie steht es mit Euch, mein Freund?“
Ezio sah ihn an. „Ich hoffe, dass wir eines Tages die Zeit finden werden, uns zusammenzusetzen und über alles zu sprechen, was seit unserer letzten Begegnung passiert ist. Jetzt aber brauche ich wieder Eure Hilfe.“
Leonardo breitete die Hände aus. „Ich werde Euch jeden Gefallen erweisen.“
„Ich muss Euch etwas zeigen, das Euch sicher interessieren wird.“
„Dann kommt besser mit in mein Atelier. Dort ist es ruhiger.“
In Leonardos alter Werkstatt angelangt, zog Ezio die Kodexseite aus seiner Tasche und strich sie auf dem Tisch glatt.
Leonardos Augen weiteten sich vor Erregung.
„Erinnert Ihr Euch noch an die
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