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Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)

Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)

Titel: Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
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scharfe Oktoberwind ließ ihn husten.
    Sie wandte sich ihm zu. „ Duìbùgi … es tut mir leid. Das war nicht richtig von mir.“
    „Nein, das war es nicht.“ Er sah sie an. „Ich glaube, Ihr solltet gehen.“
    Einen Moment lang saß sie schweigend da, dann zitierte sie unvermittelt: „,Mein Name ist Ezio Auditore. Als junger Mann hatte ich Freiheit, aber ich sah sie nicht. Ich hatte Zeit, aber ich wusste es nicht. Und ich hatte Liebe, aber ich spürte sie nicht. Es sollte dreißig lange Jahre dauern, bis ich die Bedeutung dieser drei Dinge begriff.‘“ Sie hielt inne. „Das ist wunderschön“, sagte sie dann.
    Ezio war verblüfft. Sinnend schaute er an Jun vorbei. Aus der Ferne drang das Klirren des Zaumzeugs eines Pferdes zu ihnen.
    „Ich möchte begreifen lernen, so wie Ihr“, fuhr Jun fort. „Ich möchte lernen, meinem Volk zu helfen.“
    Ezio betrachtete sie freundlicheren Blickes. „Ich war lange Zeit ein Assassine, Jun. Und ich weiß, dass jederzeit jemand auftauchen kann, der es auf mich abgesehen hat. Oder auf meine Familie.“ Er schwieg. „Versteht Ihr? Deshalb muss ich vorsichtig sein.“
    Sie nickte, und er sah ihr an, dass sie beinahe Mitleid mit ihm hatte. Er schaute zu den Weinbergen hinüber. „Ich sollte anfangen, Leute anzuheuern, die mir bei der vendange helfen, aber … “
    Er verstummte. Jun legte lauschend den Kopf schief.
    „Kommt ins Haus. Wir wollen etwas essen.“
    Sie glitt von der Mauer und folgte ihm.

87
    Der Markt auf dem großen Platz südwestlich der Kathedrale war so betriebsam wie eh und je. Händler, Geschäftsleute, Diener und Bauern drängelten sich mehr oder weniger rücksichtsvoll zwischen den Buden hindurch. Jun stand im Schatten der ringsum verlaufenden Kolonnade und beobachtete das Treiben, während Ezio nicht weit entfernt im kalten Sonnenschein mit einem Händler um den Preis eines Korbes für die Weinlese feilschte. Jun war ganz hingerissen und saugte die Bilder und Geräusche von Florenz regelrecht ein. Sie musterte andere Menschen so unverhohlen, wie diese sie musterten. Es störte sie nicht.
    Ezio kaufte den Korb, kam zu ihr und tippte ihr auf die Schulter. „Wenn dieses Ding drei Jahre hält, kann ich von Glück reden“, sagte er. Sie sah ihn, als er ihr den Korb zeigte, und wusste nicht recht, woran sie dessen Qualität erkennen sollte. Ezio sah das und lächelte.
    „Kommt!“, sagte er. „Ich möchte Euch etwas zeigen.“
    Sie schoben sich durch die Menge in die Richtung der Piazza della Signoria. Dort angelangt, setzten sie sich auf eine Bank in der Nähe der Loggia, sahen dem Kommen und Gehen der Leute zu, die alle hell und bunt gekleidet waren, bis auf jene, die Kleidung aus teurer schwarzer Seide und dunklem Samt trugen.
    „Wer sind diese Menschen?“, fragte Jun.
    „Das sind die Bankiers“, antwortete Ezio. „Sie tragen eine Art Uniform, damit sie einander erkennen können. Aber diese Kleidung hat auch noch einen anderen Vorteil. Wir können sie kommen sehen!“
    Jun lächelte unsicher.
    „Schön, no?“, fuhr Ezio fort. „So voller Leben!“
    „Ja.“
    „Aber nicht immer. Die Hälfte meiner Familie wurde auf dieser Piazza ermordet. Hingerichtet. Genau hier. Vor fünfundvierzig Jahren. Ich war neunzehn.“ Er schloss in der Erinnerung daran kurz die Augen, dann sprach er weiter. „Aber wenn ich diesen Ort jetzt so sehe, so piena di vita , kann ich nichts anderes als Zufriedenheit darüber empfinden, dass all der Schmerz vergangen ist.“ Er sah sie ernst an. „Das Leben eines Assassinen ist Schmerz, Jun. Man erleidet ihn, und man verursacht ihn. Man ist sein ständiger Zeuge. Stets in der Hoffnung, man möge dazu beitragen können, ihn dereinst auszulöschen. Das ist eine furchtbare Ironie, ich weiß. Aber so ist es nun einmal.“
    Eine Zeit lang saßen sie schweigend da. Jun wirkte sehr wachsam. Dann sah Ezio, wie sie sich spannte. Irgendetwas war ihr in der Menge aufgefallen. Das Aufblitzen einer bestimmten Farbe? Einer Uniform vielleicht? Eines Gardisten der Signoria? Aber der Moment verstrich, und er sagte nichts dazu.
    „Also gut!“, meinte er schließlich und erhob sich. „Zeit, diese alten Knochen nach Hause zu schleppen.“
    Sie machten sich auf, überquerten den Platz und nahmen die Ezio so vertraute Straße, die nördlich des Palazzos nach Osten verlief. Jun schaute immer wieder nach hinten.
    Die Straße, die sie dann erreichten, war fast menschenleer, und als sie sie entlanggingen, waren sie irgendwann ganz allein.

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