Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
schon, tötet mich!“
„Ihr habt etwas, das ich brauche“, erwiderte Ezio ruhig und lud seine Pistole nach, sodass nun beide Kammern wieder schussbereit waren. Der Hauptmann beäugte die Waffe.
„Der alte Hund hat noch Biss, wie ich sehe“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Blut floss aus seiner Wunde am Knie und der ernsteren Verletzung an seiner linken Schläfe.
„Das Buch, das Ihr bei Euch tragt. Wo ist es?“
Der Hauptmann sah ihn verschlagen an. „Niccolò Polos altes Tagebuch meint Ihr? Davon wisst Ihr? Das überrascht mich, Assassine.“
„Ich stecke voller Überraschungen“, entgegnete Ezio. „Gebt es mir!“
Der Hauptmann sah ein, dass ihm keine Wahl blieb, und zog unter seinem Wams ein altes, in Leder gebundenes Buch hervor, das etwa dreißig mal fünfzehn Zentimeter messen mochte. Seine Hand zitterte, und er ließ das Buch fallen. Er senkte den Blick darauf – mit einem Lachen, das ihm gurgelnd im Hals erstarb. „Nehmt es!“, sagte er. „Wir haben ihm all seine Geheimnisse entlockt und den ersten der fünf Schlüssel bereits gefunden. Sobald wir auch die übrigen in unserem Besitz haben, werden der Großtempel und all die Macht darin unser sein.“
Ezio sah ihn mitleidig an. „Ihr irrt Euch, Soldat. Es gibt keinen alten Tempel in Masyaf. Nur eine Bibliothek voller Weisheit.“
Der Hauptmann erwiderte seinen Blick. „Euer Vorfahr Altaïr hatte den Apfel von Eden sechzig Jahre lang in seinem Besitz, Ezio. Er gewann daraus viel mehr als das, was Ihr Weisheit nennt. Er erfuhr … alles!“
Darüber dachte Ezio kurz nach. Er wusste, dass der Apfel in einer Kirchengruft in Rom sicher verwahrt war. Dafür hatten er und Machiavelli gesorgt. Doch seine Aufmerksamkeit wurde durch ein scharfes, schmerzhaftes Keuchen des Hauptmanns sogleich wieder abgelenkt. Während sie miteinander sprachen, hatten seine unbehandelten Wunden unvermindert weitergeblutet. Jetzt war der Mann totenblass. Ein seltsam friedlicher Ausdruck breitete sich in seinem Gesicht aus, und als ihm schließlich ein langer und letzter Seufzer entfloh, sank er zurück.
Ezio musterte ihn noch einen Augenblick lang. „Ihr wart ein echter bastardo “, sagte er. „Aber trotzdem … requiescat in Pace .“
Er beugte sich vor und schloss dem Mann mit der behandschuhten Hand sanft die Augen.
Das Wasserrad hämmerte unverändert. Abgesehen davon war es still.
Ezio nahm das Buch auf und drehte es in den Händen. In den Deckel war ein Symbol eingeprägt, dessen Goldauflage längst verblasst war. Das Zeichen der Bruderschaft der Assassinen. Leise lächelnd schlug er das Buch auf.
LA CROCIATA SEGRETA
Niccolò Polo
MASYAF , giugno, MCCLVII
COSTANTINOPOLI , gennaio, MCCLVIII
Ezio zog beim Lesen scharf den Atem ein.
Konstantinopel , dachte er. Natürlich …
16
Der Wind wurde frischer, und Ezio schaute von Niccolò Polos Buch auf, das offen in seinem Schoß lag. Er saß unter einem Sonnensegel auf dem Achterdeck der bauchigen Baghlah, die durch das klare blaue Wasser des Weißmeers schnitt, Lateiner- und Stagsegel gesetzt, um den günstigen Wind voll zu nutzen.
Die lange Reise von Latakia an der syrischen Küste hatte ihn zunächst zurück nach Zypern geführt. Der nächste Hafen war Rhodos gewesen, wo ein neuer Passagier an Bord gekommen war, eine schöne Frau von vielleicht dreißig Jahren in einem grünen Kleid, das perfekt zu ihrem rotgoldenen Haar passte. Dann war es weitergegangen durch den Dodekanes, nordwärts in Richtung Dardanellen und schließlich ins Marmarameer.
Jetzt näherte sich die Reise ihrem Ende. Die Seeleute riefen einander Anweisungen zu, während sich die Passagiere auf dem Schandeck aufreihten, um zu sehen, wie Backbord voraus, noch eine Meile entfernt und im grellen Sonnenlicht glitzernd, die gewaltige Stadt Konstantinopel auftauchte. Ezio versuchte, Teile der Stadt anhand der Karte, die er in Syrien im Hafen gekauft hatte, zu identifizieren. In seiner Nähe stand ein teuer gekleideter junger Mann, wahrscheinlich noch keine zwanzig, ein Osmane, der offenbar mit der Stadt vertraut war und mit dem Ezio flüchtig Bekanntschaft geschlossen hatte. Der junge Mann hantierte mit einem Astrolabium, nahm Messungen vor und machte sich Notizen in einem Buch mit elfenbeinfarbenem Einband, das an einem Seidenband von seinem Gürtel hing.
„Wo ist das?“, fragte Ezio und zeigte auf eine Stelle seiner Karte. Er wollte noch vor dem Anlegen so viel wie möglich über die Stadt in Erfahrung bringen. Die
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