Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
Altaïr, war ich diesem Mann gnädig? Welches Leid hätte sich vermeiden lassen, wäre er es nicht gewesen! Aber andererseits hatte Abbas vielleicht Gnade gebührt, ungeachtet des Preises, den sie gekostet hatte.
„Habt Ihr gehört, was man sich im Dorf erzählt?“, fragte der erste Hauptmann.
„Über Abbas und seine Albträume?“
„Nein, nein.“ Der erste Mann senkte die Stimme. „Über Altaïr.“
„Altaïr? Was denn?“
„Es heißt, ein alter Assassine habe einem Händler drunten im Tal das Leben gerettet. Man sagt, er habe mit einer verborgenen Klinge gekämpft.“
Der zweite Hauptmann schüttelte abschätzig den Kopf. „Gerüchte. Davon glaube ich kein Wort.“
„Ob es nun stimmt oder nicht, sagt Abbas nichts davon! Er ist ja ganz krank vor Paranoia.“
„Wenn Altaïr sich in dieser Gegend aufhält, sollten wir ihm zuvorkommen. Wir sollten ihn aufspüren und umbringen wie einen alten Köter, denn nichts weiter ist er. Er wird nur wieder Unzufriedenheit verbreiten, wie er es früher schon getan hat, und jeden für sich selbst verantwortlich machen. Er wird die Autorität untergraben, die Abbas groß gemacht hat.“
„Eine eiserne Faust. Etwas anderes verstehen die Menschen nicht.“
„Ihr habt recht. Ohne Herrschaft gibt es keine Ordnung.“
Altaïr hatte sich Zeit genommen, um die Lage zu beurteilen. Er wusste, dass Cemal und Teragani irgendwo hinter ihm waren. Diese beiden Hauptmänner schienen alles zu sein, was zwischen ihm und dem Innenhof stand, und ihre Unterhaltung hatte bewiesen, dass sie auf Abbas’ Regeln eingeschworen waren – Regeln, die viel mehr mit der Denkweise der Templer als jener der wahrhaftigen Assassinen zu tun hatten.
Er hustete, ganz leise nur, und trat in den Lichtkreis der Fackeln.
Die beiden Hauptmänner wandten sich ihm zu.
„Wer zum Teufel seid Ihr?“
„Verschwindet, alter Mann, wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist!“
Der erste Sprecher lachte rau. „Warum strecken wir ihn nicht an Ort und Stelle nieder? Die Schweine würden sich über eine zusätzliche Mahlzeit freuen.“
Altaïr sagte nichts. Stattdessen streckte er die linke Hand aus und hielt sie den beiden Männern hin, damit sie sehen konnten, dass ihm der Ringfinger fehlte.
Sie traten einen Schritt zurück und zogen gleichzeitig ihre Säbel. „Der Thronräuber kehrt zurück!“, fuhr der zweite Hauptmann auf.
„Wer hätte das gedacht! Nach so langer Zeit.“
„Was führt Euch wieder hierher?“
„Ein Hund, der zu seiner Kotze zurückkehrt.“
„Ihr redet zu viel“, sagte Altaïr. Mit den sparsamen Bewegungen, die ein alter Mann sich angewöhnen muss, aber keineswegs mit der Langsamkeit des Alters, ließ er im Vortreten seine verborgene Klinge hervorschnellen und stach – einmal, zweimal – mit tödlicher Präzision zu.
Dann ging er unverändert wachsam weiter auf das Tor zum Innenhof zu, und seine Vorsicht zahlte sich aus. Er entdeckte nämlich einen dritten Hauptmann und zog sich gerade noch rechtzeitig zurück, bevor der Mann ihn bemerken konnte. Er hörte einen leisen Aufschrei und sah, wie aus der Dunkelheit ein junger Assassine auf den Hauptmann zurannte. Er flüsterte ihm etwas zu, und die Augen des Hauptmanns wurden groß vor Überraschung und Wut. Offenbar hatte man die Leichen der unredlichen Assassinen, die Altaïr gerade ausgeschaltet hatte, bereits entdeckt. Jetzt würde seine Anwesenheit hier kein Geheimnis mehr sein. Rasch wechselte Altaïr seine verborgene Klinge gegen die Federdruck-Pistole aus, die er nach Plänen gebaut hatte, auf die er während seiner Reise durch den Osten gestoßen war.
„Schnell, benachrichtigt ihn!“, befahl der Hauptmann dem jungen Assassinen. Er hob die Stimme. „Assassinen der Bruderschaft von Abbas! Zu mir!“
Altaïr blieb stehen und wog seine Möglichkeiten ab, als neben ihm eine freundliche Stimme sagte: „Mentor!“
Er drehte sich um und sah Cemal und Teragani. Bei ihnen war ein halbes Dutzend weiterer Assassinen.
„Wir konnten nicht verhindern, dass die beiden Hauptmänner, die Ihr getötet habt, gefunden wurden. Zwei der Grausamsten aus der ganzen Bande, die unter einem anderen als Abbas nie zu Hauptmännern befördert worden wären“, erklärte Cemal rasch. „Aber wir haben Verstärkung mitgebracht. Und das ist nur der Anfang.“
„Willkommen!“ Altaïr lächelte.
Cemal lächelte zurück. Hinter ihm zog sich der kleine Trupp von Assassinen fast synchron die Kapuzen über.
„Wir sollten ihn schnell zum
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