Assassin's Creed: Revelations - Die Offenbarung (German Edition)
er wieder bei dem Pier ankam, an dem die Flöße ursprünglich festgemacht waren. Aber nun wusste er wenigstens, dass er nicht umgehend mit Verfolgern zu rechnen hatte, und das Schießpulverfass stand noch so vor der Tür, wie die Templer es zurückgelassen hatten.
Einmal mehr ersetzte Ezio seine Hakenklinge durch die Pistole. Er lud sie, suchte sich flussaufwärts einen Platz, wo er hinter einem vorspringenden Pfeiler Deckung fand, zielte sorgfältig und schoss.
Der Schuss krachte, die Kugel zischte auf das Fass zu, sogar der dumpfe Laut des Treffers war zu hören, doch dann schien eine Ewigkeit lang nur Stille zu herrschen.
Es geschah nichts.
Aber dann …
Die Explosion entfaltete in der unterirdischen Enge die Wirkung eines Donnerschlags, und Ezio war taub. Als kleine Steine rings um ihn niederregneten, fürchtete er schon, er habe die Decke zum Einsturz gebracht und unwiederbringlich zerstört oder beschädigt, was sich hinter der Tür befand. Doch als sich der Staub legte, sah er, dass die Explosion aller Wucht zum Trotz den verschlossenen Durchgang nur teilweise aufgebrochen hatte.
Jedoch war die Öffnung groß genug, um ihn hineingreifen zu lassen, und er sah eine Säule von der Art, wie er sie nun schon kannte, auf der zu seiner ungemeinen Erleichterung ein weiterer runder Obsidianschlüssel lag – und zwar unbeschädigt. Aber ihm blieb keine Zeit, um sich zu entspannen. Noch während er danach fasste, bemerkte er das Leuchten, das von dem Schlüssel ausging, wie es auch bei den anderen der Fall gewesen war. Diesmal versuchte er der Macht dieses Lichtes zu widerstehen, als es an Intensität zunahm. Er fühlte sich untergraben, geschwächt und erschüttert von den seltsamen Visionen, die dem blendenden Licht jeweils folgten.
Aber es nützte nichts, und so musste er sich einmal mehr einer Kraft ergeben, die seine eigene um ein Vielfaches überstieg.
54
Ezio hatte den Eindruck, es seien zwanzig lange Jahre vergangen. Die Landschaft kannte er, und aus ihr ragte wie eine gigantische Klaue die inzwischen ebenfalls vertraute Burg von Masyaf empor. Nicht weit entfernt von ihrem Tor saßen drei Assassinen um ein flackerndes Lagerfeuer …
Die Gesichter der Assassinen waren die von Männern, deren Träume von einer besseren Welt sich verdüstert hatten. Und als sie sprachen, klangen ihre Stimmen leise und erschöpft.
„Es heißt, er schreie im Schlaf nach seinem Vater Ahmad Sofian“, sagte einer von ihnen.
Einer der Männer schnaubte verbittert. „Ach was, Cemal? Er ruft nach seinem Papa, Welch ein elender Kerl Abbas doch ist!“
Sie saßen mit dem Gesicht zum Feuer und bemerkten zunächst nicht, wie sich ihnen der alte, weiß gewandete Mann mit der Kapuze aus dem Dunkel heraus näherte.
„Dieses Urteil steht uns nicht zu, Teragani“, sagte der zweite Mann in kaltem Ton.
„Oh doch, Tazim!“, warf Cemal ein. „Wenn unser Mentor den Verstand verloren hat, dann will ich das wissen.“
„Schweig, Cemal!“, sagte Tazim. Er drehte sich um und begrüßte den Neuankömmling. „ Masa’il kher.“
Die Stimme des alten Mannes war trocken wie welkes Laub. „Wasser“, sagte er nur.
Teragani stand auf und reichte ihm eine kleine Kalebasse, die er zuvor in einen Wasserkrug getaucht hatte, der neben ihm stand.
„Setzt Euch! Trinkt!“, sagte Cemal.
„Vielen Dank!“, erwiderte der alte Mann.
Die anderen sahen ihm zu, wie er wortlos trank.
„Was führt Euch hierher, alter Mann?“, fragte Tazim, als ihr Gast seinen Durst gestillt hatte.
Der Fremde überlegte kurz, ehe er antwortete. Dann sagte er: „Der arme Abbas, aber verspottet ihn nicht. Er hat den größten Teil seines Lebens als Waise zugebracht und sich seiner Familie geschämt.“
Diese Eröffnung ließ Tazim erschrocken aufschauen, doch Teragani lächelte still. Er erhaschte einen Blick auf die Hand des alten Mannes und sah, dass ihm der linke Ringfinger fehlte. Wenn es sich also nicht um einen außergewöhnlichen Zufall handelte, dann war dieser Mann ein Assassine. Verstohlen musterte Teragani das faltige, hagere Gesicht. Irgendetwas daran kam ihm bekannt vor …
„Abbas sehnt sich verzweifelt nach Macht, weil er machtlos ist“, fuhr der alte Mann fort.
„Aber er ist unser Mentor!“, fuhr Tazim auf. „Und im Gegensatz zu Al Mualim und Altaïr ibn-La’Ahad hat er uns nie verraten!“
„Unsinn“, sagte Teragani. „Altaïr war kein Verräter.“ Er blickte den alten Mann scharf an. „Altaïr wurde vertrieben.
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