Astrella 02 - Brudernacht
während der Übernahme von den Kollegen der anderen Schicht erfahren.
»Die Kripo kann noch nichts zum Täter sagen«, erklärte Krähmann jetzt. »Also bleibt uns nichts anderes übrig, als die Augen offenzuhalten – damit meine ich auch Sie, Herr Obst! – und vielleicht zufällig auf einen Verrückten zu stoßen, an dem noch Blut klebt.«
Die üblichen Bemerkungen wie: Zum Glück gibt es ja kaum Verrückte in der Stadt oder Dann fällt sein eigenes Blut anschließend ja nicht auf oder Rote Lackschuhe! oder Meine Tochter ist jetzt 19 kollerten in gedämpfter Lautstärke durch den Raum. Trotzdem war aus der einen oder anderen Bemerkung Wut und Erregung herauszuhören. Der sich wie gewohnt radikal gebende Hauptmeister Pechler forderte grummelnd ein ständiges Ausgehverbot ab zwanzig Uhr, und damit war dieser Punkt dann auch abgehakt.
Ansonsten gab es nicht viel Neues bei diesem Frührapport. Die ersten Stühle rückten bereits, einige Männer gähnten unüberhörbar, während sich andere reckten und streckten, als wären sie soeben erst aus ihren Betten gekrochen.
»Ach ja«, stoppte Krähmann den allgemeinen Aufbruch. »In der Sache mit dem Mord an dem alten Mann und seinem Hund hat uns die Kripo gebeten, während der Streifen vermehrt auf alte Leute mit Hunden zu achten, vor allem, wenn diese von irgendjemand angesprochen werden. Das gilt heute Nacht wieder besonders für die Zivilstreife. Aber bis dahin haben wir ja noch ein bisschen Zeit. Und tagsüber scheint ja keine Gefahr zu bestehen. Aber trotzdem …«
Astrella legte den Telefonhörer wieder auf, lehnte sich zurück und überlegte.
Zillmann von der Kriminalinspektion 1, in deren Zuständigkeit auch Tötungsdelikte und Vermisstenfälle fielen, war zunächst erstaunt gewesen über seinen Anruf. Während der Nachermittlungen im Fall des verbrecherischen Bauunternehmers hatten sie sich kennengelernt und waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen. Trotzdem hatte er sich zunächst sehr zurückhaltend gegeben, was Astrella nur zu gut verstand. Zillmann erinnerte Astrella von seiner Einstellung her ein wenig an seine Zeit bei der Polizei. Auch er hatte seinen Mitarbeitern gegenüber stets darauf geachtet, dass alles, was ihre Arbeit betraf, gefälligst in ihren Diensträumen zu bleiben hatte und Informationen nicht zu früh an die Öffentlichkeit drangen. Selbstverständlich hatte diese ein Recht auf Informationen. Andererseits, und das war entscheidend, war die Öffentlichkeit eine Schafherde mit der Presse als Leithammel. Und wenn man diese Herde allzu früh und vor allem zu lange an derselben Sache grasen ließ, war dafür gesorgt, dass nichts mehr nachwuchs.
Astrella hatte Zillmann ganz offen von Frau Klimnich und seinem Versprechen erzählt, sich für sie beim Morddezernat zu erkundigen, was die Fahndung nach dem Mörder ihres Mannes machen würde. Über seinen Entschluss, der alten Frau zu helfen, schwieg er sich hingegen aus.
»Morddezernat ist nicht mehr. Nennt sich seit der Verwaltungsreform Kriminalinspektion 1. So, dann war also Frau Klimnich bei Ihnen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Wie ist sie denn ausgerechnet auf Sie gekommen? Ich meine, Sie sind doch kein Privatdetektiv, wenn ich mich recht erinnere.«
»Das habe ich auch zu ihr gesagt. Ich habe keine Ahnung, wie sie auf mich gekommen ist. Ich sei ihr empfohlen worden, behauptete sie. Aber von wem …«
»Die alte Dame ist eine recht entschlossene Person«, hatte Zillmann daraufhin erklärt.
»Da haben Sie recht. Sie ging erst wieder, nachdem ich ihr, wie gesagt, versprochen hatte, bei Ihnen anzurufen. Nach dem, was sie gesagt hat, vermute ich mal, dass sie seit dem Tod ihres Mannes recht häufig bei Ihnen und Ihren Kollegen angerufen hat.«
»Das kann man wohl sagen! Nach insgesamt siebzehn Telefonaten und vier Besuchen bei uns in nur zwei Tagen, und das ist noch lange nicht alles, habe ich sie beim fünften Mal recht energisch hinaus—
befördert. Allerdings habe ich ihr auch noch psychologische Beratung durch einen Fachmann empfohlen.«
»Und, wie hat sie reagiert?«
»Sie fragte mich, ob ich sie für verrückt erklären wolle.«
Astrella musste schmunzeln.
»Wie lange ist das her?«
»Ich meine, es wäre am Montag gewesen.«
Astrella lächelte, als er an diese Bemerkung Zillmanns zurückdachte. Er selbst hatte Frau Klimnich bei ihrem Besuch aufgetragen, in den nächsten Tagen weiterhin beim Morddezernat anzurufen. Dadurch wäre die Erklärung für seinen eigenen Anruf
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