Astrilandis Buch 1
einen Federwisch, den sie in das Gefäß tauchte. Damit berührte sie Hero am ganzen Körper. Cid, der außerhalb des Kreises saß, verfolgte mit schräg gelegtem Kopf den Vorgang. Velia summte dabei eine leise Melodie, die in Hero ein Wohlempfinden hervorrief, das ihn an seine Kindheit erinnerte. Er schloss die Augen und ließ die Zeremonie mit großem Gefallen über sich ergehen. Am Schluss entnahm die Zauberin der Urne ein Amulett mit zwei Tierkörpern, das an einer schwarzen Perlenschnur befestigt war und legte es Hero auf die Brust mit den Worten:
„Dieses Schmuckstück hat Deine Mutter uns zur Aufbewahrung übergeben, als Du geboren wurdest. Du erhältst es heute zurück, weil die Zeit gekommen ist, Dir selbst die Entscheidung zu überlassen ob Du Dich zu Miatris bekennen willst oder ob Dein Herz allein für Astrilandis schlägt. Jetzt liegt es in Deiner Hand, welcher Gattung Du künftig angehören willst. Aber überlege es gut, denn dieses Amulett besitzt die Kraft des Himmels und des Meeres. Wenn Du dich gegen Miatris entscheidest, ist das nie mehr rückgängig zu machen. Auch nicht durch Deine Kinder und Kindeskinder.“ Hero sah die Zauberin etwas verständnislos an. Doch sie sagte: „Wenn Du auch jetzt noch nicht alles verstehst, das Amulett wird Dir den Weg weisen.“ Mit diesen Worten nahm sie ihn an der Hand und führte ihn aus dem Kreis hinaus, der sich sofort in eine Staubwolke verwandelte, die in die Höhe stieg. Hero steckte das Schwert in seinen Gürtel und nahm den Köcher mit den schwarzen Pfeilen. Myrta legte ihm das Amulett um den Hals und dann verbeugte sich Hero vor den drei Frauen des Orakels und sagte: „Ich danke Euch von Herzen für Eure Gaben und die Wünsche, die mich begleiten werden. Ich hoffe, dass ich den rechten Weg finde, die Prophezeiungen zu erfüllen.“
Die drei Frauen begleiteten Hero zum Höhlenausgang, der sich wie von Zauberhand öffnete. Sie schoben ihn sanft hinaus und Hero sah, wie sich die Tür im Fels hinter ihm geräuschlos wieder schloss. Er musste die Hand über die Augen halten, um das gleißende Sonnenlicht abzuschirmen, das ihn umfing. Cid, der seinem Herrn nicht von der Seite gewichen war, umkreiste ihn ungeduldig. Er wusste nicht, wie lange er so gestanden hatte, aber die Sonne brannte unbarmherzig herab und so ging er den steinigen Pfad langsam bergauf. Ihm war, als hätte er nur einen Traum gehabt, aber er sah an sich hinunter und fühlte den kühlen Knauf des Schwertes und das Amulett um seinen Hals. Es war kein Traum gewesen, er hatte jetzt die Weihen des Orakels empfangen und ein Glücksgefühl durchströmte ihn. Es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Tondoros zu kommen, wenngleich die Frauen zu ihm nur in Rätseln gesprochen hatten. Das Schwert, das jetzt zu ihm gehörte war viel feiner gearbeitet, als das, was für Krotos geschmiedet worden war. Hero hatte einen Augenblick lang Gewissensbisse, da er von den Göttern, die ihm diese Insignien der Macht zuerkannt hatten, nicht viel hielt. Er war kein Tempelgänger und würde wohl auch nie einer werden. Aber er nahm sich vor, die Regeln, die ihm Tsara, Velia und Myrta auferlegt hatten, so gut es ging, einzuhalten. Mit seinem Zeichen auf der Stirn war er jetzt als der rechte Nachfolger Pantheers zu erkennen und niemand, auch nicht Krotos, konnte ihm die Macht streitig machen.
Nach kurzer Zeit lief ihm wieder der Schweiß über die Stirn, die feuchtwarme Luft im Tal des Orakels von Tondoros war kaum zu ertragen. Doch Nichts konnte Hero jetzt noch aufhalten. Beschwingt sprang er über den reißenden Bach von Stein zu Stein, so dass Cid ihm gerade noch hinterher kam. Was würden seine Freunde und die übrigen Astrilandier zu seinen neuen Insignien der Macht sagen. Er wollte auf schnellstem Wege zurück in den Palast. Für einen Moment hatte er vergessen, warum er von dort geflohen war. Doch nun fiel es ihm wieder ein und er hoffte, dass das Orakel die Wahrheit gesprochen hatte und Krotos sein Schwert zurückerhalten würde.
Nachdem er die Felsenschlucht verlassen hatte, stand er vor dem Pfad, der in Richtung des Palastes führte, doch dieser Pfad war so unübersichtlich durch seine vielen Biegungen und überhängende Bäume, dass Hero beschloss, zunächst weiter in Richtung Tondoros zu laufen, um dort auf offeneres Gelände zu kommen. Er ging nicht lange, bis er ein Geräusch im Unterholz vernahm und ehe er sich richtig umsehen konnte, war er schon von Männern umringt. Einer, der Hero um
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