Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
Vom Netzwerk:
begriffen: Ich bin ein Psychopath. Ich brauche meine Opfer nicht zu
hassen. Es erheitert mich einfach, euch sterben zu sehen. Es verschafft mir ein
Gefühl der Erleichterung, fast so eine Art Euphorie. Also verschon mich bitte
mit diesem Sie-ist-doch-nur-ein-Kind-Quatsch. Das ist mir nämlich scheißegal.«
    Sie erforschte seine Augen. Da
war kein Erbarmen, kein Mitgefühl. Wenn sie bisher noch irgendwelche Hoffnungen
gehegt hatte, ihn umstimmen zu können, so waren sie nun verflogen.
    Sie begann sich ernsthaft zu
fragen, was besser wäre: den letzten Schritt selbst zu tun und von einer Mine
zerfetzt zu werden oder sich von diesem Monster eine Kugel verpassen zu lassen?
    Ich darf nicht
aufgeben. Vielleicht fällt mir irgendwas ein.
    War das eine Staubsäule dort
hinten, auf einem der Hügel am Rand der Stadt?
    Sie musste Zeit gewinnen.
    »Wer ist Edina Hoff?«
    Er grinste. »Ach, komm! Hast du
das nicht längst erraten?«
    »Ich will es von dir hören. Du
hast die Akte so hingelegt, dass ich sie finden muss. Erklär mir, warum.«
    »Nun ja. Ich schätze, ihr werdet
mir wohl kaum weglaufen. Also warum nicht.«
    Die Staubsäule war etwas größer
geworden. Oder war das nur Einbildung?
    Hoffentlich
ist es eine lange Geschichte .
    »Also«, begann Vanderbilt im
getragenen Tonfall eines Märchenopas, »im fernen Lande Mexifornia war einmal
ein Prinz. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Edward. Besagter Edward hatte
gewisse Vorlieben, die auf sein Umfeld vielleicht ein wenig exzentrisch
wirkten. Leider lebte er in einer Welt, in der man solcherart Exzentrik nicht
mit Nachsicht betrachtete. Kurzum, Edward sollte an einen Ort verbannt werden,
wo seine besonderen Vorlieben keinen Anstoß mehr erregen würden. Davon aber erfuhr
sein Bruder William, von allen nur Billy genannt. Da Billy dem guten Edward in
brüderlicher Hingabe zugetan war, unternahm er mit seinem guten Freund Ned
einen Versuch, Edward zu befreien. Leider schlug der Versuch fehl. Billy und
Ned sollten daraufhin gleichfalls verbannt werden, und wie alle Verbannten
sollten sie auf dem Weg zum Ort ihrer Verbannung einem Zauber unterzogen
werden. Dieser Zauber würde sie nicht nur vergessen lassen, wer sie eigentlich
waren, sondern ihnen aus dem Gedächtnis löschen, dass sie überhaupt verbannt
worden waren. Edward, Billy und Ned sitzen also in der Kutsche, die sie ins
Exil bringen soll. Mit in der Kutsche sitzt auch der Mann, den die Herrscher
von Mexifornia als ihren neuen Statthalter in Asylon erwählt haben – nennen wir
ihn doch einfach … hm, Vanderbilt – und außerdem die böse Hexe, die den Zauber
an den drei Unglücklichen durchführen soll, jene Dr. Edina Hoff, die dich so
sehr interessiert. Nun naht die dunkle Stunde des Zaubers. Erfolgreich hext
Edina Billys und Neds Persönlichkeit und alle ihre Erinnerungen hinfort. Dann
will sie dem guten Edward an den Kragen. Doch da geschieht das Wunder! Edward
kann sich von seinen Fesseln befreien. Er dreht den Spieß um, tötet Vanderbilt
und löscht Edinas Gedächtnis. Im Exil angekommen, beseitigt der geniale Edward
das dortige Empfangskomitee und übernimmt Vanderbilts Rolle als Gouverneur. Er
baut sich stattdessen einen eigenen Stab von Mitarbeitern auf und arrangiert
sich mit den Leuten draußen, die ihn in die Verbannung geschickt haben. Nach
einigem Zögern erklären sie sich mit seiner Rolle einverstanden, damit in
Asylon alles weiterhin seinen Gang nimmt. Damit nichts nach draußen sickert,
das nicht nach draußen sickern soll. Und die Leute draußen sind mit seiner
Arbeit zufrieden. Und er kann drinnen tun, was ihm beliebt. Ist das nicht eine
wunderbare Geschichte?«
    Saïna war schwindlig.
Erinnerungsfetzen aus der Tiefe ihres Bewusstseins drängten an die Oberfläche.
Für einen Moment vergaß sie die Gefahr, in der sie schwebte.
    Ich – in einem
weißen Kittel in einem weißen Transportkubus. Vor mir ein Verurteilter. In
meiner Hand die Injektionsspritze mit den Nanoviren für das Voiding.
    Voiding? Was
ist das? Stimmt es, was er sagt? Kann es sein, dass …
    »Willst du damit sagen, dass ich
diese … diese …?« Ihr versagte die Stimme.
    Vanderbilts Lächeln triefte vor
Häme. »Schlaues Mädchen.«
    Saïna wehrte sich verzweifelt
gegen die Erkenntnis, die sich in ihr Bahn brach. »Das … das kann nicht sein.
Für so etwas hätte ich mich nie hergegeben!«, rief sie.
    Vanderbilt lachte laut. »Du
glaubst gar nicht, wozu Menschen fähig sind, wenn es um ihren persönlichen Gewinn
geht.

Weitere Kostenlose Bücher