Asylon
sich an ihr vorbei, nicht ohne ihr dabei
mit der Hand auf den Po zu klatschen.
»Deake!«, brüllte Saïna ihm
hinterher. »Du perverser alter Sack! Wenn du das noch ein einziges Mal machst,
säg ich dir die Hand mit ’nem Löffel ab, das schwör ich dir!«
Er drehte sich im Türrahmen um.
»Keine Angst, Püppchen. Das reicht jetzt fürs Masturbieren bis zum Lebensende.«
Er verschwand.
Saïna rieb sich den Hintern. Der Typ nimmt sich langsam echt zu viel raus, dachte sie.
Doch im Augenblick hatte sie wichtigere Probleme.
Die folgenden zehn
Stunden ihrer Schicht verbrachte Saïna in ungeduldiger Erwartung des
Arbeitsendes. Offenbar war der Körper ihrer Freundin doch noch nicht kremiert
worden, und sie hoffte auf irgendeine Möglichkeit, ihn eingehender untersuchen
zu können, um vielleicht auf diese Weise ein paar Antworten auf die Fragen zu
erhalten, die sie so sehr beschäftigten.
Normalerweise ließ das
Sammelsurium ihrer Hausmeistertätigkeit die Zeit rasch verstreichen, doch
ausgerechnet an diesem Tag wurde sie kaum gebraucht. So schlug sie die Stunden
tot, indem sie ein paar defekte Leuchtstoffröhren im Flur der chirurgischen
Station austauschte und dabei ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit einen Klatsch
mit einer der Schwestern anfing, einer properen kleinen Rothaarigen, die ihr
nicht ganz so arrogant begegnete wie der Rest des medizinischen Personals.
Gleichwohl schlich sich der Tag dahin wie ein herzkrankes Maultier.
Dann endlich war ihre Schicht zu
Ende. Saïna stürmte aus dem St. Niclas und machte sich sogleich auf den Weg zum
Hauptquartier der Polizei, dabei das schlechte Gewissen gegenüber Radu
verdrängend, die sie eigentlich erwartete, um Poosah wieder zu übergeben; das
hier war eindeutig wichtiger.
Obwohl es bereits spät am Abend
war, waren die Gassen, durch die sie sich bewegte, noch recht belebt. Die vergangenen
Tage waren schwül gewesen, und hier unten hielt sich die Hitze auch in den
Nächten und trieb die Leute aus ihren beengten, stickigen Wohnungen. Saïna
hielt kurz bei einem kleinen Kiosk, um den Besitzer nach dem Weg zum
Polizeigebäude zu fragen, und nutzte die Gelegenheit, um eine neue Packung
Zigaretten und ein bisschen getrocknete Pilze für Poosah zu erstehen.
Während der Besitzer ihren
Einkauf mit wurstigen Fingern in eine kleine Tüte stopfte, sah sie neugierig
zu, wie seine Frau im Hinterzimmer einem Nebengewerbe nachging, das
offensichtlich in zahnärztlichen Dienstleistungen bestand. Obwohl es im St.
Niclas und den anderen Hospitälern der Stadt durchaus zahnmedizinische Abteilungen
gab, hatten die Bewohner der asiatischen Viertel mehr Vertrauen zu jenen
Heilkundlern, die ihr Handwerk fast noch wie mittelalterliche Bader betrieben.
Schließlich händigte der Besitzer Saïna die Papiertüte aus, und sie
verabschiedete sich.
Eine Viertelstunde später stand
sie vor dem Polizeihauptquartier. Das Gebäude selbst war genauso wenig als
Ganzes zu erkennen wie irgendein anderes in der Stadt. Auch hier hatte sich die
nachfolgende Bebauung in immer neuen Schichten über die Urstadt gelegt, bis
diese mehrfach überlagert und gänzlich verschluckt worden war. Immerhin öffnete
sich die Gasse zu einem größeren Vorraum, an dessen anderem gegenüberliegenden
Ende sich das imposante Portal des Gebäudes befand. Eine sich nach unten
verbreiternde Freitreppe wurde unten von zwei monumentalen Tierdarstellungen
gesäumt: einem Adler und einem liegenden Löwen. Saïna fühlte sich ein wenig
eingeschüchtert.
Dennoch sprang sie die Stufen
hinauf und an einigen Beamten in ihren abgetragenen grauen Polizeioveralls
vorbei. Einer zog ihr mit einem anerkennenden Blick auf ihr Dekolleté die Tür
auf. Saïna schlüpfte hindurch, schloss ihren Arbeitsoverall einen Knopf höher
und erstarrte kurz vor Erstaunen. Der Raum, den sie betrat und der als eine Art
Foyer diente, hatte eine Weite und Höhe, wie sie sie in der Stadt noch nirgends
zu Gesicht bekommen hatte. Zwar hatte auch das St. Niclas größere Räume, aber
keinen, dessen Wände so hoch waren. Sie schätzte sie auf ungefähr drei
Mannslängen. Das verlieh dem Raum eine atemberaubende Erhabenheit. Auf halber Höhe
verlief ein Gang, an den sich offenbar Büros reihten. Direkt vor ihr, auf der
unteren Ebene, herrschte reges Treiben. Hilfesuchende Bürger standen vor einer
langen Theke Schlange. Dahinter nahmen Beamten in grauen Uniformen ihre
Beschwerden entgegen. Ungeduldig reihte sich Saïna ein und wartete nervös
darauf, dass sie
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