Asylon
an die Reihe kam.
»Was kann ich für Sie tun?«,
fragte ein älterer Beamter mit desinteressiertem Gesichtsausdruck.
»Ich suche einen Polizisten.«
»Da werden Sie hier bestimmt
fündig, Ma’am.«
»Nein, ich meine einen bestimmten
Polizisten. Er heißt Darcy, glaube ich. Scooter Darcy.«
»So so«, entgegnete der Mann und
besah sie misstrauisch aus wässrig blauen Augen. »Und was wollen Sie von
Officer Darcy, wenn ich fragen darf?«
Saïna biss sich auf die Lippen
und verfluchte sich sogleich für diese augenfällige Geste der Unsicherheit.
»Ich … möchte eine Zeugenaussage machen«, antwortete sie aufs Geratewohl. War
das nicht etwas, was man bei der Polizei tat?
»Darf ich dann bitte Ihre Ladung
sehen.«
»Ich habe keine.«
Er zog unwirsch die Augenbrauen
zusammen.
»Es geht um einen neuen Fall«,
setzte sie flink hinzu, bevor der Polizist irgendetwas entgegnen konnte.
Er seufzte und machte eine
Eingabe in dem laut surrenden Rechner, der vor ihm auf dem Desk stand. Saïna versuchte
einen Blick auf den schräg stehenden Bildschirm zu erhaschen, woraufhin sie der
Beamte tadelnd ansah. Also gab sie auf und fügte sich in ihr Schicksal, während
der Rechner suchte. Wonach auch immer.
Der Beamte tippte einen weiteren
Befehl in die Tastatur und schürzte kurz die Lippen, dann wandte er sich wieder
Saïna zu. »Sagten Sie Scooter Darcy?«
»Ja«, antwortete Saïna
erwartungsfroh.
»Den gibt es hier nicht.«
Saïna meinte, eine Spur von
Triumph in seiner Stimme zu vernehmen. Scheinbar gehörte das Enttäuschen von
Erwartungen zu seinen bevorzugten Beschäftigungen.
»Aber«, sagte Saïna verdutzt, »er
hat sich mir so vorgestellt.«
»Hören Sie, Lady. Wenn alle
Verrückten und Betrüger der Stadt, die jemals behauptet haben, Angehörige der
Polizei zu sein, tatsächlich welche wären, würde dieses Gebäude nicht mal
ausreichen, wenn man sie alle aufeinanderstapelt. Und jetzt lassen Sie bitte
den Nächsten vor.«
Er winkte den Mann hinter Saïna
nach vorne, der sich auch prompt in Bewegung setzte und sich an ihr
vorbeidrängen wollte. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, dem Beamten einen der
vor ihm liegenden Bleistifte in die gleichgültige Visage zu rammen.
»He, Idiot!«, raunzte sie den
Kerl, der an ihr vorbei wollte, an. »Ich bin hier noch nicht fertig!«
»Lady, wenn Sie jetzt nicht
freiwillig gehen, muss ich die Sicherheit rufen. Suchen Sie diesen Mr. Darcy am
besten da, wo sie ihn getroffen haben.«
»Aber …«, wollte Saïna erneut
protestieren, als sich ihr eine Hand von hinten auf die Schulter legte.
»Ich bin Scooter Darcy und
kümmere mich um die Lady«, sagte eine jungenhafte Stimme.
Saïna fuhr herum. Direkt vor ihr
stand der junge Mann aus der Krankenhauspathologie. Scooter Darcy. Er grinste
über beide Ohren. Saïna blickte zu ihm auf und kam sich noch kleiner vor als
sonst.
»Sorry, die normalen Cops mögen
uns Leveller nicht besonders«, flüsterte er ihr ins Ohr, mit einem Blick auf
den Kerl, der sie gerade weggeschickt hatte. »Hätte nicht zu hoffen gewagt,
dass ich Sie noch mal wiedersehe, kleine Lady«, sagte er dann lauter und
sichtlich fröhlich.
Saïna durchsuchte ihr Hirn nach
einer passenden Entgegnung, aber wie so oft, wenn ihr die Person, mit der sie
es zu tun hatte, nicht vertraut war, fiel ihr nichts ein.
»Was kann ich für Sie tun?«,
setzte er nach.
»Die Leiche von Lynn … äh … ich
meine die Leiche meiner Freundin … Sie ist hier. Wir müssen sie unbedingt
untersuchen«, platzte es aus Saïna heraus, dann fügte sie vorsichtig hinzu. »…
Mr. Darcy.« Höflichkeit war nie eine schlechte Idee, wenn man derjenige war,
der etwas wollte. Behauptete jedenfalls Radu.
»Bitte nennen Sie mich Scooter.«
Er zog sie von der Theke weg.
Erst da fiel ihr auf, dass der
Beamte und ein paar Leute aus der Schlange sie beide mit neugierigen Blicken
beobachteten. Sie zog unwillkürlich den Kopf ein.
Sie ließ sich von Scooter an den
Rand des Raumes führen, wo ein paar Trennwände eine kleine Nische mit einem
Tisch und drei Stühlen abteilten. Scooter setzte sich hin und bedeutete ihr mit
freundlicher Geste, seinem Beispiel zu folgen.
»Sorry, dieser Raum hat allzu
viele Ohren. Jetzt noch einmal von vorn. Ich dachte, ihre Freundin wäre im St.
Niclas längst eingeäschert worden.«
»Das dachte ich auch«, erwiderte
Saïna. Sie erzählte ihm von ihrer Unterhaltung mit Deake, dem Hausmeister, und
was er ihr über den Verbleib von Lynns sterblichen
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