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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Regeln der Kunst mit dem Kerl verkuppelt. Vielleicht hatte sich
Saïna auch selbst etwas beweisen wollen. Ohne Erinnerung an ihr Leben
unmittelbar vor Lynn und Poosah kam sie sich manchmal wie eine verdammte
Jungfrau vor.
    Nach etlichen alkoholischen
Mutmachern und sinnlosem Smalltalk hatte sie den Kerl jedenfalls quasi an den
Haaren in seine Wohnung geschleift. Aber es war alles andere als die erhoffte
Befreiung gewesen. Stattdessen hatte sie sich am nächsten Tag nur noch einsamer
und leerer gefühlt. Lynns Versuche, ihr einen Tatsachenbericht aus den Rippen
zu leiern, hatte sie so rüde abgeblockt, dass ihre Freundin die Nacht oder das
Thema Sex danach nie wieder aufgebracht hatte. Seitdem beschränkte sich Saïnas
Liebesleben auf Deakes perverse Anmachen.
    Und jetzt …?
    Ihr Blick fiel wieder auf die
Gestalt neben sich.
    Von
minderbemitteltem Gemüsehändler zu suizidalem Alkoholiker. Ich mache echte
Fortschritte.
    Und dann bemerkte sie, dass der
Kerl vollständig angezogen war.
    Und sie auch.
    Sogar die Stiefel hatten sie
beide noch an und damit das Laken verschmutzt.
    Sie empfand eine seltsame
Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Okay, offenbar waren sie beide tatsächlich
nur ins Bett gestiegen, um jeder für sich ihren Rausch auszuschlafen. Aber in einem Bett? War da vielleicht die Absicht gewesen, es doch
zu tun? Ein bisschen Knutschen, Kuscheln und dann Blackout aufgrund des vielen
Alkohols?
    Sie konnte sich an nichts mehr
erinnern. Vielleicht ganz gut so.
    Sie ließ den Blick durchs Zimmer
schweifen. Es war kaum größer als ihres, aber die Wände waren frisch geweißt.
Durch das Wissen, dass über der Decke des Raums nur noch das Dach und dann der
Himmel war, kam ihr die Bude fast wie eine richtige Wohnung vor und nicht wie
die Menschcontainer der unteren Ebenen. Neben dem Bett lag eine leere Flasche
Whiskey. Der dumpfe Schmerz, der unter ihrer Schädeldecke rumorte, deutete
darauf hin, dass einiges von ihrem Inhalt bei ihr abgeblieben war.
    Der Körper neben ihr rührte sich
wieder. Etwas in ihr wehrte sich gegen die Vorstellung, bei seinem Erwachen
neben ihm zu liegen. Fluchtartig verließ sie das Bett und verkroch sich in
einen abgewetzten Sessel direkt gegenüber.
    Der Mann drehte sich um, rieb
sich den Kopf und blinzelte aus verschwollenen Augen im Zimmer herum, bis sein
Blick an ihr hängen blieb.
    »Was machst du denn hier?«,
fragte er unwirsch.
    Saïna wollte aufbrausen, doch
dann gelang es ihr, den inneren Aufruhr in den Griff zu bekommen. Aber irgendetwas
in ihr war in diesem Moment zerbrochen. Sie wusste selbst nicht was es war,
vielleicht irgendeine dumme mädchenhafte, romantische Hoffnung auf wer weiß
was. Was immer es war, jetzt war es so tot wie ein Fisch, den eine tückische
Welle aufs Land geworfen hatte.
    Jedenfalls
kein Anlass für sinnlose cholerische Anfälle.
    Statt ihn einer Antwort zu
würdigen, sah sie sich um. Irgendein wohlmeinender Gott hatte ihr Päckchen
Zigaretten auf dem Boden in Griffweite des Sessels positioniert. Sie steckte
sich eine an und pustete die letzten Reste ihrer inneren Aufwallung in das
Dämmerlicht des Zimmers. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er sich aufrichtete.
    »Hör mal.« Er räusperte sich.
»Was immer gestern zwischen uns passiert ist … Äh … tja, das … das war nicht
meine Absicht.«
    Sie schaute ihn an. Er stand auf
einmal vor ihr, in der Haltung eines Schuljungen, der versuchte, seiner Mutter
eine schlechte Note zu erklären. Diesmal gelang es ihr nicht mehr, ihren Ärger
zu zügeln.
    »Nichts ist passiert!«, schnauzte
sie. »Es sei denn, wir haben uns gegenseitig völlig besoffen die Klamotten vom
Leib gerissen, es hemmungslos getrieben und uns anschließend wieder angezogen.«
    Er blickte an sich hinunter,
schien innerlich aufzuatmen, kratzte sich dann am Kopf und murmelte: »Oh … äh …
ja …« Es sah nach verlegener Unschlüssigkeit aus.
    Was für ein
Idiot! Gegen den war der Gemüsejunge ja ein Feingeist!
    Auf einmal fiel ihr wieder ein,
warum sie eigentlich zu ihm gekommen war. »Ich bin hier wegen meiner Freundin,
Lynn Lidell«, sagte sie unvermittelt. »Du und dein Partner Scooter habt ihre
Leiche an der Grenze gefunden.«
    Er setzte sich aufs Bett.
»Tatsächlich? Und ich dachte, du ziehst umher, um Typen vorm Absturz zu
bewahren.«
    Saïna verdrehte die Augen.
    »Okay, okay. War nur ein Witz.
Also, die Leiche an der Grenze …« Er überlegte einen Moment. »Das war ein Fall
von Transgression. Sie wollte in

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