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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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unversehens gegen
sein Ziel zu prallen. Mit ausgestreckten Armen schlich er Zentimeter um
Zentimeter vor, wie ein Kind beim Blinde-Kuh-Spielen.
    Schon sah er den Lichtkegel
wenige Meter neben sich über den Boden gleiten, als seine Fingerspitzen gegen
etwas stießen. Ein Regal. Schnell kauerte er sich dahinter. Eben verhallte der
letzte Schritt des Unbekannten, der offensichtlich stehen geblieben war.
Vorsichtig lugte Torn um die Ecke des Regals. Der Lichtkegel war auf den Boden
gerichtet. Der Kerl, der die Taschenlampe hielt – war es überhaupt ein Kerl? –
war nur als schwache Silhouette zu erkennen. Dann wurde die Lampe ausgeschaltet,
und für ein paar Momente herrschte absolute Finsternis.
    Wahrscheinlich
wartet er auf den Empfänger.
    Torn machte sich das Warten um
einiges bequemer, indem er sich aus der Hocke in eine sitzende Position
brachte.
    Unvermittelt flammte die Lampe wieder
auf und bewegte sich in seine Richtung. Erschreckt hielt er den Atem an.
    Verdammt. Er
muss irgendetwas gehört haben.
    Torn verharrte bewegungslos und
sprach ein stilles Stoßgebet. Langsam wanderte der Lichtkegel zu dem Regal
herüber, hinter dem er sich verbarg.
    Schritte in seine Richtung.
    Einer.
    Zwei.
    Drei.
    Stille.
    Der Rand des Lichtkegels
verharrte kaum einen halben Meter vor seinen Füßen.
    »Hallo?«, schallte es in seinen
Ohren wie Donnerhall.
    Torns Herz setzte einen Schlag
aus.
    Rygor.
    Er hatte es geahnt. Zweifellos
würde er bis an die Zähne bewaffnet sein. Ihm so gegenüberzutreten wäre
Selbstmord. Torn merkte, dass seine Hände zitterten. Er zwang sich zur Ruhe.
    »Scheiß Ratten!«, erklang es so
dicht neben ihm, dass er das Gefühl hatte, Rygor hätte direkt in sein Ohr gesprochen.
    Der Kegel schwang in eine andere
Richtung. Rygors Schritte entfernten sich wieder. Die Taschenlampe ging aus.
Torns spürte, wie der Adrenalinrausch langsam verebbte.
    Wieder war eine Weile Ruhe. Dann
erklang ein Geräusch, mechanisch, so als ob sich etwas Großes in Bewegung gesetzt
hatte. Torn war sich sicher, dass er den Klang kannte.
    Es war …
    Der Fahrstuhl!
    Mit einem letzten lauten Ächzen
kam die Kabine zum Stehen. Scharrend schoben sich die beiden Türhälften
auseinander, und weißes Licht flutete die Etage wie eisiger Feuerschein. Torn
musste blinzeln, erst dann konnte er ins Innere der Fahrstuhlkabine sehen.
    Es traf ihn wie ein Schlag in den
Magen.
    Er kannte diesen Raum.
    Er hatte ihn Dutzende Male
gesehen.
    Der weiße Kubus aus seinen
Träumen.
    An den Wänden links und rechts
die wohlbekannten Kokons, zwei an jeder Seite.
    Der Anblick ließ sein Herz
schneller schlagen.
    All das gab es wirklich!
    Es war eine Erinnerung, kein
Fantasiegebilde.
    Niemand befand sich in der
Kabine. Bis auf die Kokons war er leer.
    Beinahe hätte er vor lauter
Staunen vergessen, warum er eigentlich hier war. Doch dann bewegte sich Rygors
Silhouette im Licht. In der linken Hand trug er eine Art Sporttasche. Sie war
offen, und zwei kleine Ärmchen und ein Gesicht lugten daraus hervor. Er reckte
den Hals. War das Kind dunkelhäutig, so wie er selbst? Es erschien ihm so, aber
im weißen Gegenlicht war das schwer zu sagen. Egal. Es gab nur einen Weg, sich
Sicherheit zu verschaffen, und ihm blieben wahrscheinlich nur Sekunden, denn
Rygor hatte die große Aufzugskabine bereits betreten.
    Torn schob sich lautlos hoch in
die Hocke und spannte die Muskeln an, um sich auf den kurzen Sprint vorzubereiten,
der ihm bevorstand.
    Im günstigsten Fall würde er
Rygor mit einem gezielten Tritt gegen das Bein das Knie brechen und ihn so kampfunfähig
machen, ohne das Kind zu gefährden. Im günstigsten Fall …
    Rygor war in der Kabine stehen
geblieben. Sicherlich würden sich die Türen gleich schließen.
    Torn sprang auf und …
    … prallte gegen einen riesigen
Schatten!
    Kurz blitzte im Schein des Lichts
ein Helm auf. Dann klammerte sich eine Pranke um Torns Kehle.
    Der Gote.
    Er musste ihn verfolgt haben, um
sicherzustellen, dass er sich an die Vereinbarung mit Sputano hielt. Und für
ihn stand mittlerweile offensichtlich fest, dass Torn seinen Boss hintergangen
hatte. Während ihm die Luft abgedrückt wurde, sah Torn, wie sich die Türhälften
des Fahrstuhls zu schließen begannen. Wenn er nicht schnell etwas unternahm,
würde alles umsonst gewesen sein. Mit dem Mut der Verzweiflung rammte er seinem
Widersacher die Faust in die Magengrube. Ein schmerzhaftes Aufstöhnen, und der
Würgegriff lockerte sich.
    Rygor in der Aufzugskabine wandte
den

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