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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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den Schacht, bis das Tuchseil sie
abfing. Langsam holte sie die Pfanne wieder ein. Dann machte sie das Feuerzeug
wieder an, um erneut die Richtung zu bestimmen.
    Konzentrier
dich, Baby!, ermahnte sie sich lautlos und unternahm einen zweiten
Versuch.
    Diesmal schlug die Pfanne
irgendwo über ihr gegen die Wand. Doch dann war nichts mehr zu hören. Hatte sie
es geschafft? Vorsichtig zog sie an den Tüchern. Sie spürte einen leichten
Widerstand, der dann aber nachgab.
    Mist! Sie wollte noch den Kopf einziehen, doch es war zu spät, die Pfanne knallte ihr
gegen die Stirn.
    Der Schmerz in ihrem Kopf
explodierte. Sie spürte, wie ihr das Bewusstsein zu schwinden drohte, dann
einen plötzlichen Ruck an ihrer rechten Hand, um die sie das andere Ende der
Tücher geschlungen hatte. Die Finger ihrer Linken rutschten vom Türrahmen. Für
Sekundenbruchteile hing sie zwischen Himmel und Erde.
    Dann – fiel sie ins Leere …

    Ich
lebe immer noch. Wie viele Sekunden mögen vergangen sein? Zwei? Zwanzig?
Zweihundert?
    Torn schloss die Augen und
öffnete sie wieder. Die Welt war noch da. Sonnenhitze in seinem Nacken. Der
Wind zerrte an dem kleinen Flechtenbüschel. Er bückte sich, zupfte einen der
blassgrünen Triebe heraus, zerrieb ihn zwischen den Fingern und schnüffelte
daran.
    »Riecht nach nichts«, sagte er
laut.
    Dann konnte er das Lachen nicht
mehr zurückhalten. Es sprudelte aus ihm heraus wie Wasser aus einer Quelle. Er
fiel auf den Rücken und lachte, bis ihm die Tränen kamen. Schließlich fielen
ihm die Geier auf, die über ihm kreisten. Er formte mit den Händen einen
Trichter vor seinem Mund. »Jetzt noch nicht, Jungs!«
    Er stand auf und öffnete die
Hand, in der er das kleine Schmuckstück hielt. Das sollte sein Leben gerettet haben? Offensichtlich war es so. Scooter hatte
behauptet, das Ding, das er bei Lynn gefunden hatte, sei eine Fälschung
gewesen. Er hatte ihm dann ein richtiges gegeben.
Scooter konnte ihm weder über Herkunft noch Technik dieser Dinger irgendetwas
sagen. Hatte sie vor Jahren bei irgendeinem Scharlatan von Voodoopriester in
Nowaja Rossija gekauft. Der hatte ihm die Geschichte vom Grenzübertritt
erzählt. Scooter hatte nie daran geglaubt, bis er eines Tages beim Demontieren
einer Mine einen Fehler gemacht hatte, der eigentlich tödlich für ihn hätte enden
müssen. Aber nichts war passiert. Das Nazar hatte irgendetwas in der Mine
blockiert. Was immer das Ding war, es übertraf alles, was Torn in der Stadt je
gesehen hatte. Wenn es überhaupt aus der Stadt stammte und nicht woanders her.
    Woanders …
    Er küsste das Nazar, stopfte es
in seine Hosentasche und marschierte los. Mit jedem Schritt fühlte er sich
freier und leichter.
    Schließlich hatte er das Minenfeld
durchquert und stand am zweiten Zaun. Etwa zwei Meter hoch. Nicht unüberwindlich,
wenn man von den kleinen Drähten absah, die mit ein paar Zentimeter Abstand
längs des Stacheldrahts verliefen. Die Spanndrähte der Selbstschussanlage. Nur
zehn Meter neben ihm glotzte ihn der Trichter an, aus dem die Treibladung eine
kegelförmige Splittersäule ausspucken würde, die noch im Umkreis von zwanzig
Meter tödliche Verletzungen verursachte.
    Torn grinste. Er klopfte auf
seine Hosentasche, nahm dann einen der feinen Drähte und zog daran.
    Nichts.
    Das Lachen wollte erneut in ihm
hochglucksen, aber diesmal hielt er es zurück.
    »Nichts für ungut, Großmaul«,
sagte er zu dem Trichter und sprang an den Zaun.
    Zwei Minuten später stand er auf
der anderen Seite. Zehn Meter vor ihm das letzte Hindernis: die Blendmauer.
Zwei Mannslängen hoch. Glatt, weiß und leicht zu ihm geneigt. Keine Chance für
eine Kletterpartie. Er war ehrlich gespannt, wie ihn das Amulett diesmal
beglücken würde. Nun ja, es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    Mit festen Schritten näherte er
sich der Betonwand. Schließlich stand er so dicht vor der Mauer, dass sie sein
Blickfeld völlig ausfüllte. Kurz dachte er an den Inhalt des Rucksacks, den
Scooter ihm mitgegeben hatte. Aber der würde ihm an diesen glatten Betonplatten
nichts nutzen.
    »Sesam öffne dich!«, murmelte er
leise.
    Nichts passierte.
    »Hm.«
    Er zog das Nazar aus der Tasche
und berührte damit den rauen Beton.
    Neben ihm knirschte es. Ungläubig
wandte Torn den Blick nach links, wo das Geräusch aufgeklungen war. Von seinem
Standpunkt aus konnte er nichts erkennen. Er trat ein paar Schritte zurück. Der
Anblick machte ihn fassungslos.
    Etwa zehn Schritte links von

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