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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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ihm
klaffte ein mannsgroßer, rechteckiger Durchgang in der Mauer.
    Es ist eine
gottverdammte Tür! Das Ding hat Türen!
    Aufgeregt legte Torn die zehn
Meter im Laufschritt zurück. Kurz vor dem Durchgang stoppte er seinen Lauf.
    Nein, nicht
auf diese Art.
    Irgendwie fühlte es sich falsch
an, einfach so hindurchzugehen. Er stellte sich wieder direkt an die Mauer und
schätzte die Entfernung. Dann schloss er die Augen und tastete sich vorwärts.
Sein Herz schlug ihm bis in den Hals. Schließlich riss die Mauer ab, und seine
Hand glitt in leere Luft. Vorsichtig tastete er sich um den Rand des Durchlasses,
bis er die Mauer in seinem Rücken wusste.
    Dann öffnete er die Augen.
    Eine neue Welt lag vor ihm.

Die Offlands

14
    Saïna rang um Luft. Ihr
Rücken fühlte sich an, als wäre sie von einem Zug gerammt worden. Sie konnte
kaum glauben, dass sie noch am Leben war. Wie tief sie genau gestürzt war,
wusste sie nicht, aber der Void war offensichtlich nicht der Abgrund, für den
sie ihn gehalten hatte. Trotzdem hatte sie sich beim Aufprall mindestens ein
paar Rippen geprellt.
    Vorsichtig betastete sie ihren
Körper und holte erneut tief Luft. Atmen war definitiv schmerzhaft, aber es fühlte
sich nicht an, als ob irgendetwas gebrochen wäre. Ächzend kämpfte sie sich
hoch.
    Poosah, dachte sie. Ich muss hier raus. Jetzt.
    Ihre Finger fanden den Weg in
ihre Jackentasche.
    Gott sei Dank,
das Feuerzeug.
    Sie zog den Daumen über das
Rädchen und schnippte das Feuerzeug an. Im flackernden Licht erkannte sie, dass
der Boden des Voids glatt und eben war. Sie sandte ein kurzes Stoßgebet an
ihren Schutzengel. Wäre der Schacht zugemüllt gewesen wie die meisten anderen
Voids, wäre sie womöglich von irgendeinem Stück Gerümpel aufgespießt worden.
Sie ging zu der Wand und stieß einen kleinen Freudenschrei aus, als sie das
große Loch sah, das darin klaffte.
    Eine quälend lange halbe Stunde später
hastete sie mit bangem Herzen die Gasse entlang, die sie zu Radu führen würde.
In deren Obhut hatte sie Poosah wie immer abgegeben. In der Ferne verkündete
ein Lichtschein bereits den Eingang des Krämerladens, neben dem die Wohnung
ihrer Freundin lag. Alles wirkte recht friedlich. Während sie die letzten Meter
überwand, murmelte sie eine stille Fürbitte.

    Radu warf das
durchnässte Handtuch in die Ecke und trocknete die letzte Terrine an ihrer
Schürze ab. Hinter ihr kreischte Poosah empörten Protest.
    »Kinder!«, rief Radu mit
mahnender Stimme. »Seid nicht so wild, bitte, sonst krieg ich wieder Ärger mit
den Nachbarn!«
    »Hank will mir die Murmeln nicht
geben, die ich gewonnen habe!«, schimpfte Poosah und zerrte an den Händen des
Jungen.
    Radu seufzte tief. Dann griff sie
in ein Regal und zog einen Glastopf hervor. »Sieh mal, Schätzchen, hier sind
noch viel mehr davon.«
    Poosah starrte das Glas
unschlüssig an. Dann streckte sie Hände danach aus.
    »Gib her!«, sagte sie mürrisch.
    »Wie heißt das Zauberwort?«
    Poosahs Mund verzog sich zu einem
Grinsen. »Zackzack!«, sagte sie feixend.
    »Schätzchen«, sagte Radu in
gespielter Empörung. »Ich weiß wirklich nicht, woher du …«
    Ein lautes Klopfen an der Tür
ließ sie im Satz innehalten. Gedankenverloren stellte sie das Glas auf den
Tisch. Auch Hank und Poosah starrten gespannt auf die Tür. Radu band sich die
Schürze ab, hängte sie über einen Stuhl und ging zur Tür. »Saïna, bist du das?«
    Niemand antwortete.
    Dafür wurde wieder gegen die Tür
geklopft. Laut und energisch.
    Radu drehte sich mit fragendem
Blick zu Poosah um. Das kleine Mädchen zuckte mit den Schultern.
    Unwirsch schüttelte Radu den
Kopf, wandte sich wieder der Tür zu und zog den Riegel zurück.

    Voll böser Vorahnung
stieß Saïna die Tür zu Radus Wohnung auf. Quälend langsam schwang das Türblatt
zur Seite und gab den Blick auf die Wohnung frei.
    Alles schien normal. Die
Korblampe an der Decke tauchte die Wohnung in ein warmes gelbes Licht. Auf dem
Herd dampfte noch ein Wasserkessel vor sich hin. Wenn es nur nicht so ungewöhnlich
ruhig gewesen wäre. Wo waren …
    Dann fiel Saïnas Blick auf den
Esstisch.
    »Radu!«, entfuhr es ihr, bevor
sie sich vor Entsetzen über die grauenhafte Szene, die sich ihr bot, die Hände
auf den Mund presste.
    Ein unbedarfter Gast hätte auf
den ersten Blick denken mögen, Radu und ihr kleiner Sohn wären beide am Tisch
in einen plötzlichen Schlaf gefallen. Doch die grausam riesigen Nägel, die ihre
Hände auf der Tischplatte fixierten,

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