Aszendent Blödmann
Lokalblättchens meiner Mutter noch einen Gefallen schuldete, war aus »sehr aktiv« eben »sexuell aktiv« geworden.
Was dem Erfolg der Aktion keinen Abbruch getan hatte. Im Gegenteil! Die Anzeige war offenbar jeden Cent wert gewesen, denn die Flut der Anrufe war nicht abgerissen, sodass ich mich irgendwann gezwungen gesehen hatte, eine neue Telefonnummer zu beantragen. Außerdem hatte ich meiner Mutter gedroht, dass ich – sofern sie jemals wieder eine Kontaktanzeige für mich aufgeben sollte – all ihren Bridgefreundinnen erzählen würde, dass der köstliche Käsekuchen, für den sie im ganzen Ort bekannt war, in Wirklichkeit gar nicht von ihr, sondern von meinem Vater stammte.
Seitdem suchte meine Mutter wieder auf herkömmlichem Wege einen Mann für mich. Jedes Mal, wenn ich zu Besuch nach Hause kam, zauberte sie einen neuen Junggesellen aus dem Hut. Manchmal fragte ich mich, wo sie all die alleinstehenden Männer mittleren Alters auftrieb. Da konnte man mal wieder sehen, wozu Mundpropaganda und Nachbarschaftshilfe in einem kleinen Ort gut waren. Doch so rührend ich es einerseits fand, wie sich meine Mutter um mich sorgte, so sehr gingen mir ihre Verkupplungsversuche mittlerweile auf die Nerven. Vor allem, weil ich überhaupt keinen Kerl brauchte!
Schließlich hatte ich bereits einen Freund. Was meine Eltern jedoch nicht wissen konnten, denn dafür hätte ich ihnen erst einmal von Conrad erzählen müssen, aber das hatte ich bis dato vermieden. Und zwar aus gutem Grund. Streng genommen waren es sogar drei Gründe, die mich davon abhielten, Mama und Papa reinen Wein einzuschenken. Erstens: Conrad war mein Chef. Zweitens: Conrad war verheiratet. Zwar eigentlich nur noch auf dem Papier, aber wie ich meine Mutter kannte, war schon allein das ein absolutes K.-o.-Kriterium. Drittens: Conrad war fast so alt wie mein Vater. Hatte aber noch wesentlich mehr Haare. Was zumindest für meinen Vater vermutlich der vierte Grund gewesen wäre, ihn nicht zu mögen, denn mein Dad litt sehr unter seinem lichten Scheitel.
Dabei war ich mir wirklich sicher, dass meine Eltern Conrad in ihr Herz schließen würden! Sie mussten ihn einfach nur völlig unvoreingenommen kennenlernen. Doch damit wollte ich warten, bis die Scheidung von Susanne über die Bühne war und Conrad und ich uns, was unsere gemeinsame Zukunft betraf, einig waren. So lange musste ich Mamas Kontrollanrufe und Verkupplungsversuche eben weiter über mich ergehen lassen.
Auf die Dauer war es ganz schön lästig, alle paar Wochen zwischen Rinderrouladen und Buttercremetorte einen neuen potenziellen Ehemann vorgesetzt zu bekommen. Und siehe da, das nächste Exemplar wartete offenbar schon darauf, ins Rennen geschickt zu werden.
»Jetzt rate doch mal, wen ich auf dem Basar getroffen habe. Da kommst du im Leben nicht drauf.«
Wenn ich im Leben nicht darauf kam, warum sollte ich dann raten? Aber ich wollte meiner Mutter den Spaß nicht verderben und zählte ein paar Namen auf, die mir spontan in den Sinn kamen. »Brad Pitt? Die Wildecker Herzbuben? Superman?«
»Blödsinn. Obwohl – jetzt wo du es sagst – eine gewisse Ähnlichkeit ist schon vorhanden.«
»Mit Superman?!«
»Nein, mit Brad Pitt natürlich, du Dummerchen«, erklärte Mama.
Nun war ich tatsächlich gespannt, welchen Wunderknaben meine Mutter mir dieses Mal präsentieren würde.
»Ach, du errätst es ja doch nicht. Jetzt halt dich fest: Ich habe auf dem Basar Lennart getroffen.«
»Lennart?!«
»Du wirst dich doch wohl noch an Tante Erikas Sohn erinnern!«
Und ob ich mich an Tante Erikas Sohn erinnerte! Auch wenn Tante Erika eigentlich gar nicht meine Tante war. Zumindest nicht im engeren Sinne. Wenn sämtliche Bewohner meines Heimatortes, die ich mit Tante oder Onkel anredete – mit Ausnahme des Pfarrers und Herrn Kibilka, mit dem meine Eltern im Dauerclinch lagen, eigentlich alle –, tatsächlich untereinander verwandt gewesen wären, hätten dort inzestuöse Verhältnisse geherrscht. Der Sohn von Tante Friedchen war mit der Tochter von Tante Hannelore verheiratet, deren Schwester mit dem Sohn von Onkel Gustav und so weiter und so fort. Was Tante Erikas Sohn betraf: Der war noch ledig. Allerdings fragte ich mich, was an ihm meine Mutter an Brad Pitt erinnerte. Vielleicht hatten die beiden die gleiche Schuhgröße oder die gleiche Blutgruppe – aber damit hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf. Wie ich aus Erfahrung wusste, machte es jedoch wenig Sinn, über solche Dinge mit meiner
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