Aszendent Blödmann
Mutter zu diskutieren.
»Vielleicht lauft ihr euch ja mal zufällig über den Weg«, spekulierte sie.
Worauf ich wetten konnte. Im Wohnzimmer meiner Eltern herrschte ein reger Durchgangsverkehr. Meine Mutter würde nicht eher ruhen, bis Lennart eines schönen Sonntagnachmittags zufällig in unser Wohnzimmer spaziert kam, wo – natürlich ebenfalls rein zufällig – ein Platz für ihn gedeckt war.
»Und bei dir?«, fragte Mama.
»Alles im grünen Bereich«, behauptete ich tapfer. Kirschgrün, um genau zu sein. Aber ich wollte meine Eltern nicht auch noch mit meinen beruflichen Problemen belasten. Um mein Privatleben machten sie sich schon genug Sorgen.
»Ach, es ist wirklich ein Jammer, dass du immer noch Single bist«, seufzte meine Mutter so theatralisch, als würde mir ein Arm oder ein Bein und nicht bloß ein Ehemann fehlen! Unwillkürlich sträubten sich mir die Nackenhaare. Ich konnte es einfach nicht mehr hören. Mann, was war ich diese Leier satt!
»Falls du übrigens vorhaben solltest, Lennart zum Kaffee einzuladen – die Mühe kannst du dir sparen«, erklärte ich trotzig. »Ich habe nämlich einen Freund.« In dem Moment, da es raus war, bereute ich es auch schon. Ach du grüne Neune, wie sollte ich aus der Nummer bloß wieder rauskommen?
»Ach, mein Mädchen, du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue.« Nach einem kurzen Moment der Stille, in dem meine Mutter die frohe Nachricht sacken ließ, hatte sie gleich einen ganzen Fragenkatalog parat: »Wie heißt dein Freund? Wie alt ist er? Was macht er? Wie habt ihr euch kennengelernt?«
»Er heißt … er ist …« Oh Mann, mir fehlte einfach die Fantasie, um mir mal eben auf die Schnelle einen Traummann aus dem Ärmel zu schütteln. Außerdem hasste ich es zu lügen. Eine linke Bazille wie Kai hätte damit sicherlich überhaupt keine Probleme gehabt. Mein Blick blieb an seinem leeren Schreibtischstuhl hängen.
»Er ist … er ist ein Kollege«, beendete ich den Satz hastig.
»Ein Kollege. Wie schön! Tja, die meisten Ehepaare lernen sich am Arbeitsplatz kennen.«
»Halt, Mama, halt, so weit sind wir noch nicht.«
»Recht so, mein Mädchen. Bloß nichts überstürzen. Zu lange solltet ihr allerdings auch nicht warten. Du bist schließlich nicht mehr die Jüngste. Ehe man sich versieht, läuft einem die Zeit davon. Apropos Zeit: Wie lange geht das denn schon mit dir und deinem Freund?«, fragte meine Glucke lauernd.
Oh, oh, Vorsicht, jetzt wurde das Eis dünn! Auf die Unterschlagung von wichtigen Informationen reagierte meine Mutter empfindlicher als das Finanzamt. »Och, noch nicht lange«, antwortete ich deshalb, ohne mich zeitlich genau festzulegen.
»Dann ist der Kollege wohl neu.«
»Genau, er hat erst vor Kurzem hier im Hotel angefangen«, flunkerte ich, dankbar über den Ball, den sie mir zugespielt hatte. Ein echter Steilpass! »Er heißt Kai, und wir sitzen im gleichen Büro.«
»Wie praktisch«, freute sich Mama.
Meine Mutter war ein großer Fan von praktischen Dingen aller Art, wie beispielsweise abwaschbaren Tischsets, Tupperdosen und allen möglichen Haushaltsartikeln, die sich mit der Auszeichnung »Wunder« schmückten. In ihrem Putzschrank befand sich stets eine ganze Kollektion Wunderlappen in den aktuellen Frühjahrsfarben. Zwar war das versprochene Wunder – nämlich dass sich die lästige Hausarbeit damit wie von selbst erledigte – meines Wissens bisher zwar ausgeblieben, aber meine Mutter schwor trotzdem Stein und Bein darauf, dass sie mit ihren farbenfrohen Mikrofasertüchern jeden Fleck zum Verschwinden brachte.
Nun war ausnahmsweise einmal ich es, die mit einer praktischen Errungenschaft aufwarten konnte. Nicht genug, dass es außer dem Postboten überhaupt wieder einen Mann in meinem Leben gab, er saß sogar im gleichen Büro – das war ganz nach dem Geschmack meiner Mutter und hatte sicher auch die Auszeichnung »Wunder« verdient.
Und richtig! »Glückwunsch, Kind«, gratulierte mir meine Mutter. »Ein Partner am Arbeitsplatz spart Zeit und lange Wege. Außerdem: Warum die Pflicht nicht mit dem Angenehmen verbinden?«
Mal davon abgesehen, dass Kai in Wirklichkeit ein riesengroßes Arschloch war, verfügte er über alle Attribute, die meine Eltern an einem potenziellen Schwiegersohn schätzten. Vor allem war er im Gegensatz zu Conrad so schön unverheiratet. Ich fütterte meine Mutter mit weiteren Details zu meinem neuen Freund, die sie begierig aufsog. Auch die Heckflosse vergaß ich nicht zu
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