Aszendent Blödmann
das ist wirklich so eine gute Idee, der Schuss kann auch leicht nach hinten losgehen«, gab Charlotte zu bedenken, während sie mir Wickelsachen sowie diversen anderen Kleinkram für Ben zusammenpackte.
Ich winkte ab. »Ach was! Insgeheim hat Conrad sich bestimmt immer einen Sohn gewünscht, mit dem er Fußball spielen kann.«
»Ich möchte dich ja nicht enttäuschen, aber du weißt schon, dass Ben erst sechs Monate alt ist. Er kann noch nicht einmal laufen, geschweige denn Fußball spielen …«
»Aber früher oder später wird er es lernen. Das ist genetisch programmiert.«
Dem hatte Charlotte nichts entgegenzusetzen.
Und tatsächlich: Auch ohne sich um den Ball zu zanken, auf den Rasen zu spucken und sich gegenseitig vors Schienbein zu treten, verstanden Conrad und Ben sich prächtig. Wieder einmal zeigte sich auf eindrucksvolle Weise, dass Männer ohne viele Worte auskamen.
Ben war in Hochform. Man musste ihn einfach gernhaben! Er lachte mit der Sonne um die Wette und flirtete mit den Passanten. Wohlweislich überließ ich es Conrad, den Kinderwagen zu schieben. Immer wieder blieben Spaziergänger stehen, um mit dem kleinen Charmeur herumzuschäkern.
»Was für ein süßer Kerl!«, bekamen wir ein ums andere Mal zu hören. »Der ist ja echt zum Klauen«, schwärmte eine ältere Dame, die einen dicken Dackel wie einen Bollerwagen an der Leine hinter sich herzog. »Ganz der Papa!«
Conrad lächelte stolz. Langsam begann er, in seine Vaterrolle hineinzuwachsen. Volltreffer. Bei aller Bescheidenheit: Manchmal waren meine Ideen genial. Ich hatte doch gewusst, dass mein Plan aufgehen würde.
»Dem Papa wie aus dem Gesicht geschnitten«, war sich auch Bens nächste Flirtpartnerin sicher.
»Die Augen hat er aber von der Mama«, sagte Conrad, mit einem liebevollen Seitenblick auf mich, gönnerhaft.
Ein warmes Glücksgefühl durchströmte mich. Zufrieden drückte ich Conrads Hand. Genau von diesem Szenario hatte ich immer geträumt. Eine glückliche Familie beim Sonntagnachmittagsspaziergang. Klein, aber mein. Und was das Beste daran war: Conrad schien genauso viel Gefallen an dieser Bilderbuchidylle zu finden wie ich. Wir beschlossen, den gelungenen Nachmittag bei einem Kaffee unter freiem Himmel ausklingen zu lassen.
Während wir auf die Bedienung warteten, beobachtete ich die Spaziergänger, die an der Uferpromenade entlangschlenderten. Plötzlich tauchte ein bekanntes Gesicht auf. Ach, sieh mal einer an! Der Herr Kollege – in weiblicher Begleitung. Schnell, bevor Kai mich ebenfalls entdecken konnte, schnappte ich mir eine Speisekarte und ging dahinter in Deckung. Conrad saß mit dem Rücken zum Weg. Was mir sehr gelegen kam, denn so konnte ich meinen ungeliebten Kollegen in aller Ruhe ein wenig ausspionieren. Während ich vorgab, das kulinarische Angebot zu checken, linste ich so unauffällig wie möglich an der Speisekarte vorbei.
Eins musste man Kai lassen: Geschmack hatte er. Eine grüne Eiskugel – unverkennbar Pistazie. Ob es sich bei der blonden Frau in dem bunten Sommerkleid wohl um Kais Freundin handelte? Auf jeden Fall mussten sie sich ziemlich nahestehen. Sie hatten einander untergehakt und lachten vergnügt. In diesem Moment hielt Kai der Blondine sein Eishörnchen hin, an dem sie genussvoll schleckte.
»Lernst du die Speisekarte nur so zum Spaß auswendig, oder hast du Hunger?«, störte mich Conrad bei meiner Spionagetätigkeit. »Möchtest du etwas essen? Vielleicht ein Stück Kuchen?«
Ertappt zuckte ich zusammen. »Nein, ich glaub, ich nehm nur einen Latte Macchiato.« Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, ließ ich vorsichtig meinen Sichtschutz sinken. Kai und seine Begleiterin waren längst um die nächste Wegbiegung verschwunden.
Die dralle Bedienung nahm unsere Bestellung auf, dann wandte sie sich an Ben. »Na, Schätzchen, wie alt bist du denn?«, fragte sie und kniff ihm dabei in die Pausbäckchen.
Das sollte mal einer bei ihr wagen! Ich hasste die plumpe Vertraulichkeit, mit der manche Menschen Ben angrapschten. Wir waren schließlich nicht im Streichelzoo!
Da Ben nicht gewillt war, der Serviererin sein Alter preiszugeben, kam Conrad ihm zu Hilfe. »Sechs Monate.«
»Sechs Monate – und schon so ein strammer Kerl. Sicher ist dein Opa mächtig stolz auf dich, stimmt’s?«
Während Ben weiter strahlte, entglitten seinem frischgebackenen »Opa« fast die Gesichtszüge. Ich hätte die Bedienung mit den Bändern ihrer albernen Schürze erwürgen können!
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