Aszendent Liebe: Roman (German Edition)
gerade den Laden betritt. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, rufe ich.
Stack of Books, wo ich arbeite, gilt in der Branche als etwas Besonderes. Wir sind auf schwer zu findende, seltene Bücher spezialisiert. Wenn man nach einem Buch sucht, das nicht mehr aufgelegt wird oder von dem es in der gesamten Welt noch ungefähr zehn Ausgaben gibt, dann sind wir die Rettung. Da selbst das auf dem heutigen riesigen Büchermarkt noch nicht genug ist, bieten wir auch Recherchen an. Wir übernehmen Anfragen aller Art, ob ein Designer mehr über viktorianische Esszimmer wissen will oder ein Student eine Kopie eines Landvertrages mit Indianern für eine Seminararbeit sucht oder aber ein Regierungsbeamter ein Zitat braucht, das perfekt in seine nächste Rede passt. Gäbe es diese Recherchearbeit nicht, hätte ich den Job wohl nicht bekommen. Manchmal ist es gut, dass ich mein Hauptfach ein halbes Dutzend Mal gewechselt habe. Ich weiß ein bisschen was von vielem, ein breit angelegtes, aber oberflächliches Wissen. Es ist keine hochbezahlte Karriere, aber ich habe schließlich einen Abschluss in englischer Literatur, was mich nicht gerade für einen Job mit tollem Status im Finanzdistrikt qualifiziert. Mein Dad sagte immer, ich solle etwas studieren, das zu einem Job führt. Ob ich denn nicht wüsste, dass die Englische-Literatur-Fabrik Leute entlässt? Haha. Ein echter Witzbold, mein Dad.
Der Laden ist klein, sehr klein, kleiner als das Wohnheimzimmer, das Jane und ich uns im College geteilt haben. Beide Seitenwände sind vom Boden bis zur Decke voller Bücher. Judith, die Eigentümerin, hat Holzleitern einbauen lassen, mit denen man die oberen Regalbretter erreicht. Vor ein paar Jahren habe ich Judith dabei geholfen, ein paar alte Holztische zu restaurieren, die jetzt mitten im Raum stehen, voller Bücherstapel. An der hinteren Wand befindet sich unser »Büro«, eine L-förmige Theke mit einer antiken Registrierkasse, einem supermodernen Computer für Kundendaten, Inventar und die Suche im Internet. Es steht immer eine Kanne Tee bereit, die Stammkunden wissen, dass sie sich bedienen können. Ich verbringe meine Tage damit, Bücher zu verkaufen und in unserer Sammlung von Recherchetexten oder im Internet irgendetwas zu suchen. Für einen Büchernarren ist dies so ziemlich der Traumjob. Ich werde bezahlt, um die merkwürdigsten Bagatellen zu jagen, und es ist, als lebe man in einem Kreuzworträtsel. Judith ist eine tolle Chefin. Es ist ihr egal, wenn Jane kommt und hier herumhängt, solange die Kunden bekommen, was sie brauchen.
»Und, hast du ihn dazu gebracht, seinen Krempel abzuholen?«, fragt Jane. Sie öffnet ihre Tasche und sucht nach einem Imbiss für Ethan. Sie schleppt immer genug zu essen für ein komplettes italienisches Hochzeitsbüfett mit sich herum. Sie hat Tupperdosen voller Cheerios, Saftkartons, Trauben (halbiert, um ein Ersticken zu vermeiden), eine Tüte mit Tierkeksen, Grahamcracker, Erdnussbuttersandwiches und ein paar Rosinen, die so aussehen, als seien sie seit der Geburt ihres ersten Kindes Amanda vor fünf Jahren in der Tasche.
Hätte mir jemand am College erzählt, dass Jane eine Hausfrau würde, hätte ich gelacht, bis mir das Bier aus der Nase getropft wäre. Jane war diejenige, die mir beigebracht hat, Martinis zu trinken, sie hatte schwarz gefärbte Haare, die zu ihrem Eyeliner passten, und blies mit ihren Nelkenzigaretten diese fantastischen Rauchringe. Sie hatte vor, nach New York zu ziehen und Modedesignerin zu werden, gab aber all das für Kinder und Küche auf. Man sollte meinen, dass sie verbittert wäre, aber Jane gehört zu den Leuten, die ihr Leben tatsächlich mögen . Sie und Jeremy haben direkt nach dem Abschluss geheiratet.
Jeremy hat eine Stelle bei einem Hightech-Unternehmen in Vancouver bekommen, und die beiden sind ein paar Wochen nach ihrer Hochzeit dorthin gezogen. Ich wohnte damals wieder zu Hause in Traverse City, Michigan, und kellnerte, was so ziemlich der einzige Job ist, der sich Leuten mit einem Abschluss in englischer Literatur anbietet. Es stellte sich heraus, dass meine Fähigkeit, große literarische Werke zu interpretieren, nicht gefragt war. Mein Dad erwähnte dies oft. Er wollte mir eine Stelle beim Kundendienst der Versicherung, für die er arbeitete, besorgen. Es langweilte mich zwar, zu kellnern, aber es fühlte sich wie ein »Zwischen-Job« an, ein Boxenstopp auf dem Weg zu größeren Taten. Den ganzen Tag am Telefon mit Leuten zu sprechen, die verzweifelt
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