Aszendent zauberhaft
bitter, sie brannte deswegen nicht weniger darauf, Twilights endlich verlassen zu können. Ganz im Gegenteil.
»Also, Essie, Mrs Rivers«, hatte die enorme Joy keine halbe Stunde zuvor in ihrem Büro gesagt, »Sie sind offiziell begnadigt. Ist das nicht eine enorm gute Nachricht?«
Essie hatte gar nichts gesagt und wider besseres Wissen darauf gehofft, dass Joys künstlich aussehendes, von Spray überzogenes Haar in der Hitze schmelzen oder spontan in Flammen aufgehen würde oder am besten beides.
Joy, die in marineblauem Rock und Nylonbluse feucht glänzte, hatte die Zähne gebleckt, was als Lächeln gelten sollte. »Der Stadtrat hat Tony und mich schließlich in Kenntnis gesetzt, dass wir Ihren Vertrag mit Twilights nicht kündigen können – nicht«, – sie lachte schrill und unglaubwürdig – »dass wir das jemals gewollt hätten, natürlich. Es wurde an jenem Abend enorm vieles in der Hitze des Augenblicks gesagt – wenn Sie den Kalauer erlauben – und später bereut, natürlich. Und wir haben durchaus Verständnis für Ihre … Freundschaft … mit Mr Motion, enorm viel Verständnis. Aber Sie müssen sich an die Regeln halten, denn wir können es uns schließlich nicht leisten, es uns mit seiner Familie zu verderben.«
Essie hatte nach wie vor geschwiegen.
»Also, unser Vorschlag wäre, dass Sie meine, ähm, etwas übereilte Erklärung, Sie müssten Twilights verlassen, vergessen.« Sie lachte gekünstelt. »Immerhin, was würden wir ohne Sie tun? Wie Sie wissen, sind Sie eine unserer geschätztesten und, äh, interessantesten Bewohnerinnen, liebe Essie. Und Sie Ihrerseits müssen uns versichern, dass jegliche Ausflüge, die Sie in Zukunft unternehmen, angemessen begleitet und organisiert und vorab von mir oder meinem Männe genehmigt
sind. Und wenn die Damen Motion wirklich enorme Einwände haben, dass Sie und … und … Mr Motion befreundet sind, aus welchem Grund auch immer, dann werden Sie sich dem natürlich leider fügen müssen, nicht wahr?«
Essie hatte sie einfach nur wütend angestarrt.
Die enorme Joy hatte sich in ihrer klebrigen Kleidung geräkelt. »Allerdings, da Mr Motion sich seit unserem wunderbaren Fest nicht mehr gezeigt hat, denke ich, er hat diesbezüglich bereits eine Entscheidung getroffen, meinen Sie nicht auch, liebe Essie? All diese Beteuerungen ewiger Liebe in jener Nacht – ach so süß und doch so trügerisch. Männer sind so enorm wankelmütig, finden Sie nicht?«
Essie hatte die Zähne zusammengebissen und die Fäuste geballt, aber noch immer nichts gesagt.
»Also«, war Joy zum Schluss gekommen, »wollen wir die Vergangenheit ruhen lassen? Wieder gut Freund sein? Schön. Und wenn die kleine Polly nächstes Mal als Friseurin oder Astrologin herkommt, was eben als Nächstes dran ist, lasse ich sie wissen, dass ihr freundliches Angebot einer Unterkunft nicht benötigt wird, ja? Schön. Enorm erfreulich. Gut, und nun, liebe Essie, haben wir sicher beide noch einiges zu tun.«
Derart entlassen und immer noch schweigend war Essie schnellen Schrittes aus dem Büro gegangen, damit sie nicht womöglich doch noch die Todsünde beging, dem Margaret-Thatcher-Double eins in die Fresse zu hauen.
»Ach Gott, Slo«, murmelte sie nun vor sich hin und starrte trübselig in ihr farbloses Appartement. »Wie traurig ist das alles. All unser Glück im Handumdrehen aus und vorbei. All der Spaß, den wir miteinander hatten.«
»Und noch haben werden, Schätzchen«, krächzte Slos nikotinbelegte
Stimme durch den Fensterspalt, »wenn ich nur erst einen Weg finde, dieses blöde Ding weit genug aufzudrücken, damit ich reinkommen kann.«
In der Hoffnung, dass sie nicht halluzinierte, erhob sich Essie rasch aus ihrem Sessel und ihrer Verzweiflung und eilte freudestrahlend zum Fenster.
Nein, es war kein Trugbild.
Slo, ausgesprochen sommerlich in ausgeleierten Khakihosen und einem älteren flaschengrünen Poloshirt, stand im Beet mit welkenden Bodendeckerpflanzen, den Kopf knapp auf Höhe des Fensterbretts.
»Du siehst richtig hübsch aus«, sagte Essie strahlend durch den knappen Spalt. »Ich habe dich noch nie zuvor in Zivil gesehen.«
»Ich wandle auf Freiersfüßen«, antwortete Slo mit leisem Lachen, das dann in sein typisches keuchendes Krächzen überging. »Aber ehrlich gesagt ist es heute einfach nur zu heiß für den schwarzen Anzug. Die Mädels haben immer darauf bestanden, dass wir Trauerkleidung tragen, damit wir sozusagen allzeit bereit sind, wenn du verstehst, was
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