@ E.R.O.S.
»Prometheus« und »Kali«. Dabei fragte ich mich, ob Brahma genau wie ich hinter den digitalen Mauern stöbern konnte, die den Abonnenten von EROS undurchdringlich erscheinen, den Systemoperatoren aber wie Vorhänge nachgeben. Falls dem so war, könnte er mich bei der Suche sehen. Doch wollte ich ihn finden, hatte ich keine andere Wahl. Nach einer Weile steckte Drewe den Kopf herein, sah, daß Miles schlief, sagte gute Nacht und trottete davon, ohne mir anzubieten, mir Erins Probleme kurz zusammenfassen zu wollen. Ich hätte sie allerdings auch nicht darum gebeten.
Und dann landete ich den Treffer.
Zuerst war mir nicht klar, was ich sah. Bei dem Pseudonym, das auf dem Bildschirm mit »Lilith« interagierte, handelte es sich weder um »Shiva« noch um einen der anderen bekannten Decknamen. Es lautete »Maxwell«. Doch ich hatte noch keine zwanzig Textzeilen gelesen, als ich wußte, daß »Maxwell« Brahma war. Vor Aufregung ganz unbeholfen, versuchte ich, das neue Sprachsynthese-Programm zu aktivieren, doch schließlich gelang es mir.
Nun summt und flüstert mein LaserJet-Drucker, während er das Gespräch ausdruckt und sich die digitalen Stimmen von
»Lilith« und »Maxwell« zanken und sich verweben und ineinander verschlingen wie sich paarende Schlangen. Sie scheinen über
einen sexuellen Zwischenfall zu sprechen, der sich wie eine Mischung aus Gruppensex und einer Bandenvergewaltigung anhört.
LILITH>
Es_ war_meine Entscheidung.
MAXWELL>
Das akzeptiere ich nicht. Warum hast du neun Männern ihren Willen gelassen?
LILITH>
Das ist nicht so leicht zu erklären.
MAXWELL>
Hast du es vorgeschlagen?
LILITH>
Das war nicht so klar umrissen.
MAXWELL>
Hat es nicht der erste Mann vorgeschlagen? Der, der dich nach oben gebracht hat?
LILITH>
Wie kommst du darauf, daß es oben passiert ist?
MAXWELL>
Es passiert immer oben. Oder im Keller.
LILITH>
Es war oben. In einem Studentenwohnheim. Und ich erinnere mich nicht mehr genau daran. Es war wie ... na ja, wir trieben es, der Typ, mit dem ich ausgegangen war, und ich, auf seinem Etagenbett, dem unteren. Und dann kommt dieser andere Typ rein. Wirklich noch ein Junge. »He, ich bin echt blau«, hat er gesagt, »ich muß mich hinhauen.«
Und dann stieg er auf das obere Bett und legte sich hin.
MAXWELL>
Aber er schlief nicht.
LILITH>
Nein. Nach einer Minute oder so machte ich die Augen auf und sah, daß er über den Rand des oberen Bettes lugte, hinabschaute und uns beobachtete. Er schaute mir in die Augen. Er sah aus, als würde er Gott sehen oder so. Weit aufgerissene Augen, wie ein kleines Kind. Und dann verschwand sein Kopf wieder, und ich bemerkte, daß das obere Bett sich ebenfalls bewegte. Und ich wußte sofort, was er da oben machte. Er holte sich einen runter. Und als mein Freund kurz darauf fertig war, sagte ich: Ich glaube, dein Kumpel da oben ist frustriert. Mein Freund sah mich ganz komisch an – er war auch ziemlich betrunken – und sagte: Willst du ihm helfen, oder was? Und ich lachte nur und erwiderte, er täte mir leid. Warum nicht? Ich schwöre bei Gott, ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Also stand mein Freund auf und lachte, und der Junge vom oberen Bett kam runter. Er war anfangs ziemlich ängstlich, wirklich sanft, aber dann stieß er richtig zu und stöhnte. Nach anderthalbMinuten war er fertig. Und als er fertig war, sah ich, daß mein Freund verschwunden war und zwei andere Typen vor der Tür standen.
MAXWELL>
Im Zimmer?
LILITH>
Ja. Die Tür war halb offen. Und ich weiß nicht, warum, aber ich setzte mich einfach auf und sagte: Wer ist der nächste? Und dann prügelten sie sich praktisch an Ort und Stelle. Sie kamen mir vor wie wilde Tiere oder so. Danach war bei mir alles ziemlich verschwommen.
MAXWELL>
Neun Männer hintereinander?
LILITH>
Macht dich das an oder so?
MAXWELL>
Es macht mich traurig, Lilith.
LILITH>
Das sollte es aber nicht. Begreifst du nicht, was ich dir gesagt habe? Das hat mich schließlich_befreit_.
MAXWELL>
Das glaube ich nicht.
LILITH>
Weil du es nicht verstehst. All diese Jungs, diese Jungs, deren ganzes Leben praktisch von ihrem Ego und der Größe ihres Penis bestimmt wurde, von diesem Machogehabe, jeder einzelne von ihnen war wie der andere. Verstehst du? Sie alle wollten dasselbe, mich, und keiner war besser als die anderen, oder schlechter, und ich konnte nehmen, was sie austeilten, und sie auf nichts reduzieren. Sie betraten den Raum wie Löwen und gingen raus wie Lämmer.
MAXWELL>
Du
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