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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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können. Es dauert seine Zeit, bis man ein Genie anerkennt. Aber ... die Welt da draußen ist sehr groß, und ich kenne sie gut.«
    Ohne Vorwarnung oder Erklärung zog Berkmann plötzlich seine Jacke aus und knüpfte sein Hemd auf. »Ich bin jetzt mein eigener Herr«, sagte er fast zu sich selbst. »Das ist so befreiend.«
    Sowohl Jacke als auch Hemd fielen zu Boden.
    Während ich auf den Bildschirm starrte und nach der großen Narbe suchte, die Miles erwähnt hatte, hob er beide Arme hoch über den Kopf, wie eine Möwe, die ihre Flügel spreizte. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er sich einen halben Meter in die Luft erhoben hätte. Als er den rechten Arm hob, sah ich eine dunkle Linie von vielleicht fünfzehn Zentimetern Länge, die quer über die Rippen verlief. Es dauerte einen Augenblick, bis mir klar wurde, daß es sich dabei um Fäden handelte. Sie waren blutgetränkt. Kali hatte also auf ihn eingestochen. Und das Arschloch hatte sich selbst genäht.
    »Ich laufe aus«, sagte er mit fast verlegener Stimme. »Haben Sie die Lage der Wunde bemerkt? Fast wie bei Christus.«
    Er lachte, dann senkte er einen Arm und zog eine Linie entlang seines Sternums und der Rippen, und endlich sah ich sie. Eine riesige winkelförmige Narbe, wahrscheinlich sechzig Zentimeter lang, die Mitte unter seinem Brustbein; davon dehnte sie sich nach beiden Seiten aus. Es war eine alte, schon weiß verblichene Narbe mit den Druckstellen von Klammern statt den unsauberen Spuren von Nähten. Sie sah aus, als hätte jemand aus irgendeinem Grund Berkmanns gesamten Oberkörper geöffnet.
    »Sehen Sie das hier?« fragte er. »Damit fing alles an.«
    In diesem Augenblick verließ ihn die gesamte Leichtfertigkeit. Er starrte mit hypnotischer Kraft in die Kameralinse, und die Latissimus-dorsi-Muskeln unter seinen Achselhöhlen blähten sich auf wie die Haube einer Kobra.
    »Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt, Harper. Die Gesunden und die Kranken. Eigentlich bewohnen sie zwei verschiedene Welten. Die Welt der Schatten und die Welt des Lichts. Die Tür zwischen diesen Welten öffnet sich nur in eine Richtung. Und ich wurde auf der falschen Seite der Tür geboren.
    Wie Sie wissen, tat ich alles, was in meiner Macht stand, um stark zu bleiben. Doch als AIDS die Blutvorräte verseuchte, wurde meine Hämophilie praktisch zum Todesurteil. Dannfand man heraus, daß Hämophile, die wegen einer Virenhepatitis Lebertransplantate erhielten, auf wundersame Weise ihre Gerinnungsfähigkeit zurückerhielten. Für mich war das eine Offenbarung. Man konnte die Tür in die andere Richtung öffnen. Wer lediglich an Hämophilie litt, kam natürlich nicht für eine Transplantation in Betracht. Es gab einfach nicht genug Lebern. Und man konnte die Symptome mit Gerinnungsmitteln unter Kontrolle halten. Aber die Gerinnungsmittel enthielten AIDS, nicht wahr? Ich wollte nicht wegen der absichtlichen Ignoranz meiner Regierung sterben. Ich zögerte keine Sekunde. Kali half mir, die Chirurgen zu finden, die ich benötigte, und führte die Verhandlungen mit ihnen durch. Schließlich waren sie kaum der englischen Sprache mächtig. Es war unglaublich schwierig, ihnen die amerikanischen Zulassungen zu besorgen. Aber sie hatten geschickte Hände und nichts gegen Geld einzuwenden. Das einzige Problem bestand schließlich darin, jemanden zu finden, der bereit war, mir seine Leber zu spenden.« Berkmanns Lippen verzogen sich zu einer Art Lächeln. »Aber Kali half mir auch in dieser Hinsicht. Sie war einfach unentbehrlich.«
    Er tippte leicht auf die Transplantationsnarbe. »Es war eine traumatische Erfahrung. Die Unterdrückung meines Immunsystems, damit das Organ angenommen wurde, und so weiter. Aber ich überlebte. Und ich wurde geheilt . Nachdem wir die Lebertransplantation hinter uns gebracht hatten ... nun, danach folgten natürlich weitere Forschungsarbeiten.«
    Er schaute wieder zu der Narbe hinab, hob dann die rechte Hand und zeigte auf die Kamera. Ich hatte den Eindruck, daß er durch die Linse zeigte, genau auf mein Herz. »Aber jetzt ist Kali tot. Mein bester Assistenzchirurg ist tot. Erin ist tot. Aber Sie leben noch.«
    Ich schmeckte Gallenflüssigkeit in meiner Kehle.
    »Denken Sie an die Mühlen Gottes, Harper. Sie verstehen den Verweis? Nein, natürlich nicht.«
    Während ich ungläubig auf den Bildschirm starrte, schnallte Berkmann den Gürtel seiner Hosen auf, ließ sie gemeinsammit seiner Unterwäsche zu Boden fallen und trat aus dem unordentlichen

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