@ E.R.O.S.
bete, daß der Schuß aus Mike Mayeux’ Waffe kam.
»Hat der Deputy ihn vielleicht erschossen?« fragt sie.
»Jetzt wissen wir wohl alle, wo wir stehen«, sagt Berkmanns digitale Stimme, als meine Hand den Türknopf berührt.
Ich reiße die Tür auf und ziehe Drewe hinter mir her, den dunklen Flur entlang und in die Küche. Verblüfft starren wir die beiden Bretter an, die ich am gestrigen Tag über die Tür der Speisekammer genagelt habe. Ich will zur Hintertür laufen, bleibe dann aber stehen. Der Schuß kam von der Vorderseite des Hauses, aber ich weiß nicht, wer ihn abgefeuert hat. Es sind fünfzehn Meter von unserer Haustür bis zum Rand des Baumwollfelds. Fünfzehn Meter ohne die geringste Deckung. Ich gebe Drewe den .38er und versuche, eins der Bretter von der Tür der Speisekammer zu reißen, doch es gibt nicht nach. Ich setze den rechten Fuß gegen den Türrahmen und ziehe erneut, doch Drewe unterbricht mich.
»Was ist los?« schreie ich.
»Er weiß von dem Tunnel! Er hat davon gesprochen, daß du Gold wie Midas hortest. Er könnte in diesem Augenblick hinter der Tür stehen!«
Ich zögere. »Dann ergäbe der Schuß keinen Sinn. Ich glaube, das war nur so dahergesagt.«
»Willst du unser Leben darauf setzen?« fragt sie und versucht, mich von der Tür zurückzuziehen. »Harper, hör mir zu! Es tut mir leid, daß ich in deinem Büro die Nerven verloren habe. Du hattest recht. Wir müssen bleiben. Wenn wir fliehen, entkommen wir vielleicht, aber er auch! Und was dann? Vielleicht entführt er mich in einer Woche oder einem Monat oder einem Jahr von einem Parkplatz? Oder er schneidet dir die Kehle durch, während du schläfst?«
Drewes blinde Panik wurde in kaum einer Minute von strenger Selbstbeherrschung abgelöst. »Was hast du vor?« frage ich.
»Du hast um Hilfe telefoniert, nicht wahr? Selbst wenn erdie Cops draußen umgebracht hat, müßte in fünfzehn oder zwanzig Minuten jemand hier sein.«
»In zwanzig Minuten könnte er uns zwanzigmal töten!«
»Aber will er das auch? Hör doch! Er spricht noch immer mit mir.«
Sie hat recht. Berkmanns digitale Stimme dröhnt noch immer den Flur entlang. Irgendwo vor unserem Haus hockt er mit Notebook-Computer und Handy, zu besorgt oder unsicher, um etwas zu unternehmen.
Drewe umklammert meinen Oberarm. »Er will mich nicht töten«, sagt sie. »Er will mich entführen. Deshalb ist er nicht ins Haus eingedrungen! Ich kann ihn im Zaum halten, Harper! Ich habe jetzt die Macht dazu. Ich kann ihn zwanzig Minuten lang am Gängelband halten. Du mußt nur bereit sein, ihn zu erschießen, wenn er versucht, ins Haus einzubrechen.«
Plötzlich wird mir die gewaltige Ironie bewußt. Indem Berkmann sein Verlangen ausgedrückt hat, meine Frau zu besitzen – und indem er glaubt, daß ich für sie erledigt sei –, hat er mir einen Vorteil verschafft. Hat er Drewe zu meiner Geisel gemacht.
»Wir können es schaffen!« beharrt sie und gibt mir den Achtunddreißiger zurück. »Zwanzig Minuten.«
Ich muß an Michael Mayeux denken. Dieser dickschädelige Cajun könnte sich in diesem Augenblick an Berkmann heranpirschen.
»Na schön«, sage ich. »Schnell! Zurück zum Computer!«
Drewe läuft in den Korridor und zum Büro. Ich mache einen Abstecher ins Schlafzimmer, hole ihre .25er Charter Arms und folge ihr dann. Als ich die Bürotür erreiche, fällt mir Wes Killens Rat ein, und ich schalte das Flurlicht ein. Dann schließe ich die Bürotür hinter mir ab.
Drewe spricht bereits ins Mikrophon.
»Was war das für ein Schuß?« fragt sie.
»Die Zeit wird knapp«, erwidert Berkmann. »Wir müssen schnell handeln.«
»Was willst du von mir?«
»Ich will dich.«
»Aber ... wie? Was soll ich tun?«
»Verlasse das Haus mit deinen Wagenschlüsseln. Ich habe ein Flugzeug in der Nähe. Wir können in drei Minuten in der Luft sein.«
Meine Brust schnürt sich vor Panik zusammen. Drewe sieht mich verblüfft an. Ich kann kaum sprechen. »Die Landebahn, die Miles benutzt hat«, flüstere ich. »Er muß ein Flugzeug gestohlen haben.«
»Ich dachte, dein Flugzeug sei abgestürzt«, stammelt Drewe.
»Natürlich dachtest du das. Aber ich wäre nie ohne dich gegangen, Drewe. Das wußte ich in dem Augenblick, in dem ich das Foto von dir sah. Das Schicksal hat Harpers Sünden zum Anlaß genommen, mich zu dir zu führen. Und um in deiner Nähe zu bleiben, mußte ich meinen Tod vortäuschen. Ich wäre schon früher zu dir gekommen, aber du bist zu deinen Eltern gezogen. Die
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