@ E.R.O.S.
Polizei hat ihr Haus bewacht. Ich hatte keine Möglichkeit, ungefährdet Kontakt mit dir aufzunehmen.«
Drewe schüttelt den Kopf. »Warst du bei der Beerdigung meiner Schwester?«
»Ja.«
»Hast du die Sonnenbrille in ihr Grab geworfen?«
»Sie ist mir runtergefallen. Ich konnte nicht das Risiko eingehen, sie herauszuholen.«
»Aber ... wo bist du die letzten beiden Tage gewesen?«
»In einer Egreniermaschine. Ich hatte Strom und Wasser ... das Lebensnotwendige, von Nahrung einmal abgesehen.«
»Mein Gott.«
»Die Zeit ist knapp, Drewe. Du wolltest Harper sowieso verlassen. Jetzt weißt du, wie richtig diese Eingebung war. Jetzt hast du ein Ziel. Ich führe dich in eine Zukunft, die du dir nicht einmal vorstellen kannst.«
»Aber ...«
»Ich weiß, daß Harper im Haus ist. Du mußt ihn überzeugen,daß es seinen Tod bedeutet, wenn er sich uns in den Weg stellt.«
»So einfach ist das nicht. Er hat eine Waffe, und sie ist auf mich gerichtet. Er wird mich nicht gehen lassen.«
Schweigen.
»Dann werde ich ihn töten.«
»Laß mich mit ihm sprechen, Edward«, bittet Drewe. »Ich werde ihm begreiflich machen, wie die Dinge stehen.«
Diesmal antwortet Berkmann nicht. Drewe greift nach mir und nimmt meine linke Hand. Ich umklammere den Revolver mit der rechten und schaue über meine Schulter auf die Jalousien.
»Fünf Minuten ...«, sagt Berkmann schließlich. »In fünf Minuten kommst du allein zur Haustür heraus, oder ich setze das Haus in Brand.«
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E
r blufft«, sage ich und versuche, mir selbst zu glauben.
Drewe legt den Kopfhörer neben die Tastatur und drückt die Leertaste. »Wir müssen abhauen! Wir müssen sofort durch den Tunnel raus!«
Ich lege die .25er auf ihren Schoß und schüttle den Kopf. »Das können wir nicht. Die Gelegenheit haben wir verpaßt. Wir wissen nicht, wo er jetzt ist.«
»Er wird das Haus anzünden!«
»Nicht, solange du noch darin bist.«
»Vielleicht doch!«
Irgend etwas rührt sich am Rand meines Bewußtseins, wie ein Komet, der zu weit weg ist, als daß man ihn sehen könnte, aber mit großer Geschwindigkeit auf mich zurast.
»Harper!«
»Wir können nicht davonlaufen. Und das weiß er. Wir haben unsere Wahl bereits getroffen.«
»Was, wenn wir ihm sagen, ich käme raus, und bleiben dann einfach hier im Dunkeln sitzen? Er müßte mich holen kommen. Dann können wir ihn erschießen. Es wären zwei gegen einen.«
»Berkmann hat Erfahrung im Töten, Drewe. Es ist unser Haus, aber er war schon mal hier. Wenn wir im gleichen Raum mit ihm sind, werden wir sterben.«
Sie hyperventiliert fast und weiß es auch. Sie drückt die .25er an ihre Brust und schüttelt den Kopf, als wolle sie ihre Angst vertreiben. »Was wäre ...«
»Sei bitte still, Drewe.«
Sie stöhnt auf und schließt die Augen.
Ich wende mich ab und schaue mich im Büro um. Ich muß Edward Berkmann irgendwie töten. Aber die Waffe in meiner Hand ist nicht die Antwort. Es wäre reiner Selbstmord, ihm wie John Wayne gegenüberzutreten. Als ich mich langsam umdrehe, sehe ich plötzlich Miles vor mir, wie er an dem Morgen, an dem er sein Trojanisches Pferd fertigstellte, in diesem Zimmer stand, während Buckners Leute gegen die Haustür hämmerten. Als er keine Zeit mehr hatte und fliehen mußte, schaute er sich im Raum um, und ihm wurde klar, daß alles, was er brauchte, um die Polizei zu täuschen, sich direkt vor seinen Augen befand, wenn man es nur recht betrachtete.
Eine Minute ist verstrichen, doch für mich dehnt sich die Zeit nach meinen Möglichkeiten. Die Sekunden ziehen vorüber wie Waggons eines fernen Zugs. Berkmann ist klug. Das ist seine Veranlagung. Aber Veranlagungen sind zweischneidige Schwerter. Das habe ich auf die harte Tour gelernt. Vielleicht ist Berkmann auch ganz einfach zu klug. Als die Klimaanlage einsetzt, durchzuckt etwas mein Gehirn – das Echo von Worten, die ich erst vor ein paar Minuten gesagt habe: Erinnere dich an Dallas ...
Dallas. Ein verschwommenes Bild von einer Wohnung. Männer in Schwarz. Ein harmlos aussehender weißer Computer auf dem Boden, der sich plötzlich in schwarzes Nichts auflöst ...
Die Nerven zum Zerreißen gespannt, drehe ich mich schneller, nehme die Einrichtung in mich auf. Die Skulptur der Jacke. Meine mir verbliebenen Gitarren. Die Computer. Die Halterung für den Degen meines Urgroßvaters, der nun in irgendeiner Asservatenkammer in Yazoo City liegt ...
Kleiner , sagt eine Stimme in meinem Kopf. Ich richte meine Aufmerksamkeit vom
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