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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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das Offensichtliche eingestehen: Eleanor Rigby ist meine Online-Liebhaberin. Mein digitaler Darling. Was weiß ich über sie, abgesehen von dem, was ich bereits enthüllt habe? Sie ist dreißig Jahre alt. Sie hat keine plastische Chirurgie hintersich. Sie beschreibt ihr Gesicht nicht als hausbacken, sondern als »echt« – eher Audrey Hepburn als Michelle Pfeifer, aber nicht so ätherisch wie Audrey. Sie hat einen messerscharfen Verstand und ist überaus begabt darin, Sex mit Worten zu beschreiben.
    Sie ist auch großzügig. Eleanor weiß, daß Konversationen ein schönes Vorspiel ergeben, man aber zum Tippen mindestens eine Hand braucht. Wenn sie also mit mir kommuniziert, ist sie gern bereit, endlose Zeilen heißer Erotika zu tippen, bis ich ihr mit einer erleichterten und tiefempfundenen Banalität wie Wow ! signalisiere, daß sie aufhören kann.
    Ich erwidere den Gefallen auf andere Weise.
    Eleanor stimuliert sich normalerweise nicht, wenn sie online ist. Sie zieht es vor, daß ich lange E-mail-Nachrichten zusammenstelle, die sie dann ausdrucken und ohne zeitliche oder andere Beschränkungen in aller Ruhe durchlesen kann. Ich bin sicher, daß die Nähe ihrer behinderten Schwester etwas damit zu tun hat. Deshalb hat Eleanor auch ein anonymes Konto eingerichtet, von dem sie abbuchen läßt. Offensichtlich liest sie viele meiner ausgedruckten Nachrichten, während sie sich auf der Toilette einschließt.
    An diesem Abend mache ich mich gleich in dem Augenblick auf die Suche nach ihr, in dem ich mich einlogge. Eleanor lauert häufig schweigend im Hintergrund und belauscht die Gespräche anderer (auf der Suche nach Material für ihre Romane, wie sie mir sagt) und ist daher oft anwesend, wenn ich meine übliche Anfrage eintippe. Ich tippe:
     
    HARPER>
Father MacKenzie ist da.
     
    Eleanor ist die einzige EROS-Kundin, bei der ich meinen richtigen Namen benutze. Es folgt eine Verzögerung von etwa dreißig Sekunden, dann:
     
    ELEANOR RIGBY>
Hallo Harper, Schatz. Wozu bist du heute in der Stimmung?
    HARPER>
Ich muß mit dir sprechen.
    ELEANOR RIGBY>
Sprechen wie_sprechen_?
     
    (Das Symbol steht für »grins«. Die Linien vor und nach einem Wort deuten eine Betonung an, ein Ersatz für Kursivschrift.)
     
    HARPER>
Ja, nur sprechen. Triff mich in Raum 64.
    ELEANOR RIGBY>
Hmm. Ich schätze, das Frauchen hat diese Woche ein ernstes Gespräch mit dir geführt, was?
     
    Ja, wie eine körperliche Geliebte kennt Eleanor meine eheliche Situation. Zumindest einen Teil davon. Voller Gewissensbisse gehe ich mit der Maus in den privaten Raum, der als Raum 64 bezeichnet wird, und tippe:
     
    HARPER>
Zur Zeit keine Erektion, vielen Dank.
    ELEANOR RIGBY>
Wie schade. Soll ich meinen Bleistift spitzen?
    HARPER>
Nein. Es ist ernst.
    ELEANOR RIGBY>
Wie beunruhigend. Ist das ein Dear-John-Brief?
    HARPER>
Nein.
    ELEANOR RIGBY>
Also, worum geht es?
    HARPER>
Das, was ich dir sage, muß unbedingt unter uns bleiben.
    ELEANOR RIGBY>
Meine Lippen sind verschlossen. Und wenn du jetzt ein blödes chauvinistisches Wortspiel machst, unterbreche ich das Gespräch.
    HARPER>
Du bist in Gefahr, Eleanor.
     
    Sie antwortet ein paar Herzschläge lang nicht.
     
    ELEANOR RIGBY>
In was für einer Gefahr?
    HARPER>
In körperlicher Gefahr. Es hat ...
     
    Ich tippe, aber plötzlich kommt nichts mehr zu Eleanor durch. Ich starre verwirrt den Bildschirm an, bis in großen Blockbuchstaben eine Nachricht darauf erscheint:
     
    SCHÄM DICH, VERRÄTER
     
    Meine Verwirrung verwandelt sich in Wut. Diese Nachricht kann nur von Miles stammen, und dies plötzliche Einschalten in meinen privaten Schwatz mit Eleanor verrät mir etwas, das mich in Rage bringt: Miles ist imstande, meine privaten Kommunikationen zu lesen, wann immer er will. Ich blinzle, während weitere Buchstaben erscheinen:
     
    TUT MIR LEID
    DASS ICH MICH EINMISCHE
    ABER WIR KÖNNEN NICHT ZULASSEN
    DASS DU ZAHLENDE KUNDEN
    MIR NICHTS DIR NICHTS VERSCHRECKST
    BITTE FINDE EINE ANDERE
     MÖGLICHKEIT
    ELEANOR VOM NETZ ZU BRINGEN
    WENN DU
     UNBEDINGT MUSST
    CIAO
     
    Die nächsten Worte, die erscheinen, lauten:
     
    ELEANOR RIGBY>
Was war denn da los?
     
    Sie scheint Miles’ Nachricht nicht gesehen zu haben. Ich tippe:
     
    HARPER>
Eine Panne mit meinem Modem.
     
    Was nun? Ignoriere ich Miles? Mache ich einfach weiter und warne Eleanor und ein paar andere? Mein Zorn sagt ja. Aber wozu wird das führen? Wahrscheinlich zu einer Panik im gesamten Network. Eleanor und ich stehen uns sehr nah, abersie

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