@ E.R.O.S.
hat die Phantasie und die Liebe zur Dramatik einer Schriftstellerin. Kann sie wirklich das Geheimnis für sich behalten, daß ein Mörder es auf die Kundinnen von EROS abgesehen hat?
ELEANOR RIGBY>
Du hast gesagt, ich sei in Gefahr? In körperlicher Gefahr. Was hast du damit gemeint?
HARPER>
Das hast du falsch verstanden. Das war der Anfang einer Fantasy-Datei, die ich heute morgen für dich geschrieben habe. Eine Art Mata-Hari-Szenario, Spione und Sex, mit dir in der Hauptrolle.
ELEANOR RIGBY>
Na, dann schick es doch durch!
HARPER>
Mein Modem hat ’ne Macke. Ziemlich peinlich für den Sysop, was? Ich lasse es morgen reparieren und schicke dir die Datei dann. Tut mir leid, daß ich dich umsonst gestört habe.
Ich stoße meinen Stuhl von der Tastatur zurück und konzentriere mich auf die Skulptur der Jacke meines Vaters. Plötzlich will ich sie wieder warnen, aber ich weiß, daß Miles mir über die virtuelle Schulter sieht.
Verdammt, was geht in meinem Kopf vor? Und wie lange hat dieses Arschloch schon meine E-mails ausspioniert? Ich höre, wie ich Alles ist unter Kontrolle zu Bob Anderson sage.
Wem will ich damit etwas vormachen?
Ich liege noch keine fünf Minuten im Bett, als mir ein Licht aufgeht. Miles hat einen viel schwereren Fehler begangen, als nur meine E-mail zu lesen. Und ich muß es ihm sagen. In New York ist es eine Stunde später, aber das ist mir scheißegal. Er bleibt normalerweise die ganze Nacht auf und überwacht die Ebene drei.
Nach viermaligem Klingeln sagt er mit einer Stimme »Turner«, die keinen Zweifel daran läßt, daß er es nicht mag, von gewöhnlichen Menschenkindern gestört zu werden.
»Seit wann schnüffelst du schon in meiner E-mail rum, du Schweinehund?«
Ich höre ein leises Lachen. »Keine Angst. Ich schau’ nur ganz selten rein. Aber da du mit dem FBI gesprochen hast, dachte ich mir, du könntest nervös werden und auf die Idee kommen, ein paar deiner Online-Freundinnen zu warnen. Was eindeutig überflüssig ist. Sie sind nicht in Gefahr.«
»Darüber unterhalten wir uns später. Jetzt will ich wissen, wie du meine Mail lesen konntest. Ich hatte nie Zugriff auf deine.«
Noch ein Lachen. »Aber du hast es versucht, oder? Es gibt ein paar Systemprivilegien, die du nicht hast, Harper. Eins davon heißt Super-Postmaster. Es ähnelt dem Postmaster-Privileg, verschafft dir aber auch den Zugriff auf Sysop-Mail. Sogar auf Jans.«
»Was, wenn Strobekker die richtigen Namen der Opfer herausbekommen hat, indem er sich in eine Sysop-Zugangsberechtigung gehackt hat? In den Super-Postmaster?«
Miles zögert kurz. »Das halte ich nicht für möglich. Aber ich überprüfe das System noch. Man hätte nur einmal tief eindringen müssen, um an die Kundenhauptliste heranzukommen, und das könnte schon vor Monaten passiert sein. Das erschwert die exakte Analyse der Festplatten ungemein.«
»Aber du weißt nicht, ob es sich nur um ein einmaliges Eindringen gehandelt hat. Wenn er jetzt im System ist und das Super-Postmaster-Privileg hat, hätte er deine Nachrichten an mich lesen können, die ihm verraten, daß das FBI hinter ihm her ist.«
Es folgt ein langes Schweigen. »Brahma ist jetzt nicht im System. Doch selbst, wenn er es wäre, hätte er meine Nachrichten nur während der Zeitspanne lesen können, nachdem ich sie abgeschickt und du sie empfangen hast. Außer, du hast sie in einer Datei gespeichert. Hast du das?«
»Nein. Ich habe Ausdrucke gemacht und sie gelöscht.«
»Wann hast du das getan?«
»Kurz bevor ich mit Eleanor sprach.«
»Dann mach dir also keine Sorgen. Und geh mir nicht auf die Nerven. Brahma bräuchte nur den einfachen Postmaster, um deine Warnung an Eleanor lesen zu können.«
Miles hatte recht. »Und du hör auf, mir über die Schulter zu gucken, gottverdammt.«
»Das kann ich nicht versprechen.«
Wenigstens ist er ehrlich. »Miles, ich will das Super-Postmaster-Privileg und alle anderen, von denen ich nichts weiß.«
»Das kann ich dir nicht geben. Jan hat bereits deinen Zugriff auf die Buchhaltungsdaten blockiert.«
»Was?«
»Was hast du denn erwartet, Harper?«
»Hör mir zu. Wenn Strobekker oder Brahma oder wer auch immer sich noch in unserem System herumtreibt, muß ich wissen, daß ich alles sehen kann, was er kann. Wenn ich das nicht darf, steige ich sofort aus EROS aus.«
»Laß mich darüber nachdenken. Die Telefonüberwachung des FBI führt zu nichts, aber ich habe mir ein paar von Brahmas alten E-mails angesehen
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