@ E.R.O.S.
miteinander.«
Ich verspüre einen letzten Anflug von Angst, zwinge mich aber fortzufahren. »Und dann passierte es.«
»Erin tauchte wie durch Zauberhand in Chicago auf.«
»Sie stand mitten im Winter ohne Mantel vor meiner Tür. Sie flog mit irgendeinem Schauspieler kreuz und quer durchsLand, hatte Aufenthalt in Chicago und war gerade erst aus dem Flugzeug gestiegen.«
»So schön wie eh und je?«
»Noch schöner. Weiße Leinenbluse, bis zum Hals zugeknöpft, schwarze Jeans, schlichte Silberohrringe, Sandalen an den gebräunten Füßen.«
»Sie haben an diesem Abend mit ihr geschlafen?«
»Nein. Wir haben uns nur unterhalten. Ich lieh ihr eine Skijacke und Handschuhe und lud sie zum Essen ein. Wir nahmen uns ein Taxi zur Michigan Avenue und fuhren wie ein Touristenpärchen mit dem Fahrstuhl ganz nach oben auf das Hancock-Gebäude. Ich war einsamer, als mir klar war. Ich ertappte mich dabei, daß ich Erins Hand hielt, als sie über den Lake Michigan hinausschaute. Die Intimität der Geste war ... ich weiß es nicht. Dreißig Sekunden der Verbundenheit in einem Winter, in dem ich lediglich mit gierigen Arschlöchern und Zahlen zu tun gehabt hatte. Sie sah mich nicht an, während wir Händchen hielten, aber sie drückte meine Hand kräftig, bevor sie sie losließ und zum Fahrstuhl zurückging.«
Ich halte kurz inne und beobachte die Konstellationen der Scheinwerfer um uns herum, die auf uns zurasen oder uns von hinten überholen. »Wollen Sie Einzelheiten oder nur die Jack-Webb-Version hören?«
»Oh, bitte Einzelheiten. Ohne die Einzelheiten würde Trauer muß Elektra tragen sich nicht von der Oresteia unterscheiden.«
Ich suche nach der Bedeutung der Anspielung, doch mir fällt nur ein absurdes Bild von Jack Nicholson ein, der in Reds versucht, Diane Keaton dazu zu bringen, mit ihm zu schlafen. »In meiner Wohnung unterhielten wir uns noch ein wenig. Wir saßen auf dem Boden und tranken Kaffee mit einem Schuß Bourbon, um uns zu wärmen. Wir sprachen über Erins Zeit in New York, darüber, wie sie wieder clean geworden war und wie ich die Musik aufgegeben hatte. Sie schien überrascht zu sein, daß Drewe und ich uns seither nur zweimal gesehen hatten. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wiehart ein Medizinstudium ist. Als sie einschlief, steckte ich sie in mein Bett und schlief dann in einem Sessel, den ich aus dritter Hand von einem Nachbarn gekauft hatte.
Am nächsten Morgen zwang ich mich aus dem Sessel, putzte mir die Zähne und ging unter die Dusche. Ich fühlte mich beschissen und stellte das Wasser so heiß, wie ich es gerade noch ertragen konnte. Dann fühlte ich einen schnellen kalten Luftzug. Die Badezimmertür hatte sich geöffnet und geschlossen. Ich hörte, wie Erin sagte: ›Ich konnte nicht warten.‹
Ich zog den Duschvorhang von der Wand zurück und sah, daß sie splitternackt auf der Kommode saß, die Ellbogen auf die Knie und das Kinn auf die Hände gestützt. Als sie merkte, daß ich sie beobachtete, verscheuchte sie mich mit einer Handbewegung. Ich ließ den Vorhang los und fing an, mir die Haare zu waschen.
Ein paar Sekunden später trat sie in die Dusche. Ich hatte sie schon einmal nackt gesehen, als wir in der High School waren und nackt badeten, und in Chicago schien ihr Körper um keine Woche gealtert zu sein. Ihre Haut war viel dunkler als meine, ihr Haar fast schwarz. Lang und schwer fiel es über die Schultern, und das gleiche Haar ... Sie wissen schon. Jede Menge davon. Sie schaute auf und lächelte, umarmte mich dann und legte die Wange an meine Brust, als wollte sie unter dem Wasserstrahl weiterschlafen. Ich erwiderte die Umarmung nicht, wollte es aber. Ich bin mir sicher, heute klingt das alles so berechnend, aber damals kam es mir völlig natürlich vor. Unvermeidbar.«
Lenz gibt keinen Kommentar ab.
»Sie hat alles so beiläufig gehandhabt. Als käme sie herein, um zu pinkeln, und als wäre ich gar nicht da. Als wären wir schon seit Jahren verheiratet. Über solche Dinge zerbrach sie sich einfach nicht den Kopf: Anstand und Sitte ... Das machte mich an. Es machte mich an, wie sie so auf der Kommode saß. Klingt vielleicht komisch, ist aber die Wahrheit. Und sie ... sie war einfach nicht wie andere Frauen. Noch bevor siemich auf den Mund küßte, küßte sie meine Brustwarzen. Sie schien zu spüren, daß es schon lange her war, seit ich eine Frau gehabt hatte, so lange, daß jedes ernsthafte Liebesspiel warten mußte, bevor sie mich vom ersten Druck befreit hatte.
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