@ E.R.O.S.
Könntest du jemanden auf diese Weise lieben?
SARAH>
Ich glaube schon. Ich habe viel Liebe zu vergeben.
LEVON>
Das spüre ich, Sarah.
SARAH>
Ich bin nicht schön, Levon. Ich will dir das jetzt sagen, weil ich es nicht ertragen könnte, weiterzumachen und zuzusehen, wie du alle möglichen Erwartungen aufbaust, die ich nicht erfüllen kann. Das soll nicht heißen, daß ich dick bin oder so. Ich bin etwa einssiebzig groß und wiege um die sechzig Kilo.
LEVON>
Du mußt mir das nicht sagen, Sarah.
SARAH>
Ich will es aber. Ich bin sechsundvierzig Jahre alt. Mein Haar ist braun, vielleicht ein wenig matt, aber ich habe eine wirklich schöne Haut.
LEVON>
Du bist ein gesundes Mädchen, oder?
SARAH>
Ich passe auf mich auf, wenn du das meinst. Ich will damit nur sagen, daß ich nicht wie Cindy Crawford oder so aussehe. Aber ich bin nicht unattraktiv. Kollegen laden mich zum Abendessen ein und so weiter.
LEVON>
Nimmst du die Einladungen an?
SARAH>
Nicht oft. Ich bin ziemlich schüchtern, wenn es um Verabredungen geht. Jemand hat mir vor einer Weile weh getan, und ich glaube, ich bin noch nicht ganz darüber hinweggekommen.
LEVON>
Ein Kollege? Ein Vorgesetzter?
SARAH>
Woher weißt du das?
LEVON>
Ein verheirateter Mann?
SARAH>
Ja. Wenngleich es noch immer schmerzt, es einzugestehen. Ich fühle mich gegenüber seiner Frau und den Kindern so schuldig. Er hat gesagt, er liebe mich. Aber er wollte mich nur ...
LEVON>
Benutzen.
SARAH>
Ja. Ich kam mir so schmutzig vor. Manchmal hat es den Anschein, mein ganzes Leben sei so verlaufen. Ich versuche, Männern zu vertrauen, aber es hat einfach nie geklappt.
LEVON>
Du bist unbefleckt, Sarah. Solche Männer können dich nicht beschmutzen.
SARAH>
Ich fühle mich gut, wenn du so etwas sagst.
LEVON>
Es ist nur die Wahrheit.
SARAH>
Ich will nicht, daß du den Eindruck bekommst, ich hätte etwas gegen Sex oder so. Ich meine, weil ich das mit meiner Schüchternheit gesagt habe. Ich komme mir ziemlich komisch vor, wenn ich das schreibe, aber ich werde ziemlich oft angestarrt. Ich meine, wegen meines ... na ja, die Männer starren meine Brüste an. Was den Busen betrifft, bin ich ziemlich gut ausgestattet. Nicht, daß ich riesige Brüste hätte oder so, aber ich hatte nie Kinder, und deshalb sind sie noch, na ja, fest und hängen nicht. Ich bin deshalb nicht eingebildet. Manchmal mag ich sie nicht mal. Es ist, als würden die Leute mich wegen meiner Brüste gar nicht sehen. Das entfremdet mir auch viele Freundinnen. Aber ich meine, für den richtigen Mann, wenn ihm das gefällt und so weiter, könnte es für uns beide ja schön sein. Würde dir das gefallen?
LEVON>
Die Bedürfnisse des Körpers sind für mich nebensächlich, Sarah.
SARAH>
Oh. Du meinst, Sex ist nicht so wichtig für dich?
LEVON>
Ganz im Gegenteil. Sex ist von höchster Bedeutung.
SARAH>
Das verstehe ich nicht ganz.
LEVON>
Ich spreche von einer Leidenschaft, die du noch erfahren mußt. Eine spirituelle, kultivierte, lang anhaltende sexuelle Vereinigung, eine Verschmelzung von Herz und Geist und Fleisch. Eine Vereinigung des Geistlichen und des Weltlichen.
SARAH>
Mann. Mann. Das klingt ja, ich weiß nicht, poetisch oder so.
LEVON>
Aber ich habe heute abend leider keine Zeit mehr, Sarah. Ich muß jetzt gehen.
SARAH>
Oh. Bist du morgen wieder hier?
LEVON>
Vielleicht. Ich bin nie weit weg. Vergiß nicht, du bist viel stärker, als du glaubst. Du brauchst niemanden.
SARAH>
Ich glaube, ich brauche dich. Ich meine es ernst. Kannst du mir mehr über spirituellen Sex erzählen? Ich meine, ihn mir beschreiben?
LEVON>
Ich muß jetzt gehen, Sarah. Wenn du mich am dringendsten brauchst, werde ich dasein.
SARAH>
Ich werde warten.
LEVON>
Das weiß ich. Leb wohl.
SARAH>
Leb wohl. Und vielen Dank.
»Haben Sie das mitgekriegt?« frage ich. »Mein Gott. Eine Sitzung, und er hat diese Frau dazu gebracht, alles zu tun, was er will.«
»Er hat einfach ihre Bedürfnisse erfüllt«, sagt Lenz. »Wie ich die seinen erfüllen will. Ein wenig Mystizismus, ein wenig Gefahr, ein wenig Sex.«
»Sechsundvierzig Jahre alt und benimmt sich wie ein Schulmädchen. Sie hat praktisch um die Gelegenheit gebettelt, ihm sagen zu dürfen, wo er sie erwischen kann.«
Lenz trommelt mit den Fingern auf den Schreibtisch und atmet schwer aus. »Das ist bei Serienmördern üblich. Oft bringt das Opfer sich freiwillig in eine gefährliche Situation. Meistens macht die Frau, die später ermordet wird, in einer kritischen Lage einen Fehler, in
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