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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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nicht weitermachen.
    Nein. Es musste eine andere Möglichkeit geben.

31
    »Was ist los?« Kelvin war mit einer Flasche Cider aus der Küche heraufgekommen. Er stand an dem Fenster, das zur Seite hinausging, schraubte die Flasche auf und goss etwas in ein milchiges Glas. Er senkte das Kinn und schaute Zoë lange und gemessen an. »Was ist los mit dir? Du siehst komisch aus.«
    Sie lag zusammengekrümmt am Kopfende. Durch die Nase bekam sie keine Luft mehr; sie war verklebt von geronnenem Blut. Genau wie bei Lorne. Sie dachte immer wieder an diesen Leichenberg im Irak. Sie dachte immer wieder: Wenn Kelvin solche Dinge tagtäglich gesehen hatte, dann dürfte Lornes Tod nichts Besonderes für ihn gewesen sein.
    Alle wie sie …
    Er hatte Lorne als Stripperin oder als Topless-Model gekannt. So kannte er auch Zoë. Keine von ihnen beiden würde einem solchen Irren viel bedeuten. Sie wären nichts als Glieder in einer Kette. Der Superintendent hatte gelacht und gesagt: »Sie meinen, da liegt irgendwo ein ganzer Haufen Leichen?« Für Kelvin wäre kein Unterschied zwischen einem Haufen toter Frauen und einem Haufen toter aufständischer Irakis. Und sie hatte nichts, um sich zu wehren. Die clevere, clevere Zoë. Stachlig und kalt, ja, aber auch clever, das musste man ihr lassen. Bloß jetzt nicht. Jetzt fiel ihr einfach nichts Cleveres ein.
    »Ich …«, fing sie an.
    »Was?« Er sah sie scharf an. »Was ist mit dir?«
    Sie zögerte. Wenn sie ihm jetzt erzählte, dass sie Polizistin war, konnte es so oder so weitergehen. Es konnte ihm so viel Angst einjagen, dass er sie freiließe, und es konnte ihn unter Druck setzen. Dann wäre sie umso schneller tot.
    »Was?«
    »Ich friere. Kann ich meinen Pullover wiederhaben?«
    Er raffte ihn vom Boden auf und warf ihn zu ihr herüber. Dann setzte er sich hin und trank das Glas Cider in einem Zug aus. Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte eine Zeitlang, den Blick starr auf die Wand gerichtet, als sei er in Gedanken versunken. Sie zog sich den Pullover um die Schultern, und es schauderte sie kurz. »Ich muss jetzt gehen.« Ihre Stimme klang gepresst, und es klang, als halte sie ihn für schwerhörig. »Mein Mann ruft sonst die Polizei an, weil er sich Sorgen um mich macht. Ich möchte dich wiedersehen. Ich komme zurück.«
    »Das hast du schon mal gesagt.«
    »Ich mein’s ernst.«
    Er goss sich Cider ein, schraubte die Flasche zu und hob das Glas, als habe er das Interesse an ihr verloren. Sie legte den Kopf zurück und atmete langsam durch den Mund. Vor zehn Minuten war ihr aufgefallen, dass der Fensterrahmen klapprig war. Vielleicht – vielleicht …
    »Du hast mich wütend gemacht.« Kelvin sah sie nicht an. »Du hast mich wütend gemacht und dazu gebracht, es zu tun. Es gibt eine Grenze, weißt du.« Er klopfte rhythmisch an sein Ciderglas. »Eine klare Grenze. Und wenn du die übertrittst, wenn du in diese andere Welt hinüberwechselst, musst du die Konsequenzen auf dich nehmen. Dann musst du besondere Maßnahmen ergreifen.«
    »Ich komme zurück.«
    »Halt die Klappe. Ich denke nach.«
    Sie blieb schweigend liegen, und ihr Blick wanderte von ihm zurück zum Fensterrahmen. Elstern saßen auf den Ästen des Baumes draußen, genau wie bei Lorne zu Hause. Sie wollte sie rufen, wollte ihnen sagen, sie sollten jemanden holen, als könnten sie ihr helfen. Kelvin trank weiter. Er zog einen Stuhl heran, stellte ihn neben die Kommode und setzte sich. Er stützte die Ellenbogen auf die Kommode, als wäre sie ein Schreibtisch, und zündete sich wieder eine Zigarette an.
    »Kann ich einen Schluck Wasser haben?«
    Er senkte das Kinn und sah sie mit ernstem Gesicht an. »Was?«
    »Wasser? Ich habe Durst.«
    »Ach ja?«
    »Bitte?«
    Achselzuckend schob er seinen Stuhl zurück. »Hat es dir gefallen, wie ich dich gefickt habe?«
    Sie biss die Zähne zusammen.
    »Ich habe gefragt, ob es dir gefallen hat, wie ich dich gefickt habe.«
    »Ja.«
    Er legte den Kopf schräg und hielt eine gewölbte Hand hinter das Ohr.
    »Es hat mir gefallen. Kelvin.«
    »Gut. Dann hole ich dir Wasser.« Auf halbem Weg zur Tür machte er plötzlich einen jähen Schritt auf sie zu und riss die Hände hoch, als wolle er über sie herfallen. Ruckartig wich sie an das Kopfende zurück und hielt die Hände schützend vor ihr Gesicht. Dann sah sie, dass er lächelte. Vorsichtig ließ sie die Hände sinken. »Sei nicht so schreckhaft«, sagte er und lächelte immer noch. »Wir kommen da zusammen durch, Baby.« Er kam

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