Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
sonnenbeschienenen Villa mit Türmchen und steinernen Urnen auf der Dachbrüstung. Ein Land Rover stand in der Einfahrt. Sie rannte darauf zu und zerrte an den Türen – verschlossen. Sie lief weiter, vorbei an einem zweiten Wagen, vorbei an ein paar Frühbeeten und einem ummauerten Garten, in dem, säuberlich etikettiert, weiße Pfingstrosen und Frührosen wuchsen. An der Haustür hing ein riesiger alter Türklopfer, und sie hämmerte damit an die Tür. Der Lärm hallte durch das Haus und über das Gelände hinaus. Sie warf einen angstvollen Blick hinter sich und über den Rasen. Zwischen den Bäumen war von Kelvin noch nichts zu sehen.
    »Hallo?« Sie hob die Klappe vor dem Briefschlitz und schrie hindurch. »Jemand zu Hause?«
    Keine Antwort. Sie humpelte an der Fassade entlang und sah Fransenvorhänge hinter bleiverglasten Fenstern, über die ihr Spiegelbild hinwegzog: wirres Haar, und die Nase auf die doppelte Größe angeschwollen. Sie bog um die Ecke und kam an Mülltonnen, einem Berg von zersägten Kaminholzstämmen und zwei Ölkanistern vorbei. Sie hämmerte an die Hintertür, legte eine Hand an die Scheibe, um ihre Augen zu beschatten, und spähte hinein. Sie sah eine elegant gestrichene Küche, eine zentrale Kochinsel, einen AGA -Herd. Kein Licht, kein Laut. Sie ging zur Ecke zurück, und jetzt sah sie ihn, verschwommen und schemenhaft zwischen den Bäumen, sein schwarz-rotes Hemd ein Farbklecks, der sich bewegte. Er kam mit ausgestreckten Armen auf den Rasen zugelaufen. Sie machte kehrt und wollte zur Vorderseite des Hauses rennen, zu der Einfahrt, die zur Straße führte. Aber sofort erkannte sie ihren Fehler: Sie würde in der Einfahrt für ihn schon von Weitem zu sehen sein. Sie zögerte. Bei den Mülltonnen stand eine große, fahrbare Tonne. Sie hob den Deckel und schaute hinein. Sie war so gut wie leer – nur eine verknotete Plastiktüte mit Abfall stand unten auf dem Boden. Sie lehnte fest an der Hauswand und wackelte nicht, als Zoë erst das eine, dann das andere Bein hineinschwang, auf dem Boden landete und die Hand über den Kopf streckte, um den Deckel zu schließen.
    Es war dunkel und warm in der Tonne. Von draußen hörte sie nichts; nur der heiße Rhythmus ihres keuchenden Atems hallte innen von den Plastikwänden wider. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, hob vorsichtig die Plastiktüte auf die Knie und schlitzte mit den Fingernägeln geräuschlos ein Loch hinein. Sie enthielt die Reste eines Lunchpakets für ein Kind – zwei Limonadentüten, eine zur Kugel zusammengeknüllte Alufolie, an der ein paar Krümel klebten, ein Bündel Servietten, mit blauen Dinosauriern bedruckt – und drei leere Baked-Beans-Dosen. Sie nahm den Blechdeckel aus einer der Dosen, nahm ihn zwischen die Knie und drückte ihn mit aller Kraft zusammen, bis sie den Deckel in der Mitte gefaltet hatte. Sie bog ihn wieder auf und faltete ihn andersherum zusammen. Das tat sie drei Mal, bis er an der Knickstelle auseinanderbrach. Sie drückte das Blech an die Fingerspitze: Es war scharf. Es würde funktionieren, wenn sie den richtigen Winkel erwischte.
    Schritte knirschten auf dem Kies. Kelvin. Sie hielt den Atem an und hob den halben Blechdosendeckel mit beiden Händen über den Kopf. Er ging so nah an ihr vorbei, dass sie ihn atmen hörte. Es war ein rasselndes Geräusch aus tiefer Kehle. Trotz seiner Arbeit und seiner militärischen Vergangenheit war er nicht fit; Alkohol und Zigaretten hatten ihren Tribut gefordert. Sie hätte ihm weglaufen, hätte die Straße erreichen können, wenn sie genug Selbstvertrauen gehabt hätte. Sie hörte, wie er zweimal um das Haus herumging; er umkreiste es wie ein Bussard und kam jedes Mal so nah an der Tonne vorbei, dass sie das Gefühl hatte, seine Kleidung streife sie. Dann entfernten seine Schritte sich in Richtung Straße.
    Nach langer Zeit wagte sie schließlich hinauszuspähen. Die lange, sonnendurchglühte Zufahrt führte zu zwei Steinpfeilern, und die Torflügel standen weit offen. Sie beobachtete, wie er auf die Zufahrt zuging, dort stehen blieb und hinauf und dann den Hang herunterschaute. Nach kurzem Zögern drehte er sich um und marschierte in Richtung seines Cottages zurück.
    Als sie sicher war, dass er weg war, kletterte sie aus der Mülltonne. Sie griff sich das Bündel Dinosaurier-Servietten und wischte damit sorgfältig die zweite Bohnendose aus; sie spülte sie unter dem Gartenwasserhahn, trocknete sie mit den Servietten ab, nahm das verknotete Kondom aus

Weitere Kostenlose Bücher